III.
S. 279Im Verlauf des zweiten Jahres entbrannte der Kampf gegen uns noch furchtbarer. Zu der Zeit, da Urbanus Statthalter der Provinz1 war, erging nämlich zum ersten Male ein Schreiben der Kaiser, „das den allgemein verpflichtenden Befehl enthielt: allenthalben haben alle Einwohner den Götterbildern Opfer und Trankspenden zu entrichten2 . Damals legte Timotheus in Gaza, einer Stadt in Palästina, durch seine Ausdauer in allen Leiden eine glänzende Probe von der Echtheit seines Glaubens an Gott ab und erlangte die Krone der Sieger in den heiligen Kämpfen für die Religion: nach zahllosen Folterqualen, die er erdulden mußte, wurde er einem kleinen und langsam brennenden Feuer übergeben3 . Gleichzeitig mit ihm bewährten auch Agapius und unsere Zeitgenossin4 Thekla edelste Standhaftigkeit: sie wurden verurteilt, den wilden Tieren zum Fraße vorgeworfen zu werden. Doch wen hätte nicht Staunen erfaßt, wenn er mit ansah, was weiter geschah, wen hätte es nicht bis in die Seele hinein ergriffen, wenn er auch nur davon gehört? Als nämlich die Heiden ein Volksfest und die dabei üblichen Schauspiele feierten, sprach man vielfach davon, daß außer denen, die sonst schon vor ihnen zu kämpfen hatten, auch die jüngst zu den wilden Tieren Verurteilten zum Kampf erscheinen würden. Als das Gerücht hiervon sich immer weiter verbreitete und mehr und mehr zu allen drang, banden sich sechs Jünglinge, um ihre völlige Bereitwilligkeit zum Martyrium auszudrücken, selbst die Hände, traten in raschem Schritte vor Urbanus, der eben zur Tierhetze gehen wollte und bekannten sich vor ihm als Christen5 . S. 280Ihr Aufnehmen eines Kampfes mit allen Schrecknissen zeigte es, daß diejenigen, welche sich des Glaubens an den Gott des Alls rühmen dürfen, auch vor den Angriffen von wilden Tieren kein Bangen empfinden. Der eine von ihnen hieß Timolaus und stammte aus dem Pontus, der zweite, aus Tripolis in Phönizien gebürtig, nannte sich Dionysius, der dritte von ihnen, mit Namen Romulus, war Subdiakon der Kirche in Diospolis; dazu kamen zwei Ägypter, Paesis und Alexander, und ein mit dem letzteren gleichnamiger Alexander von Gaza. Nicht gering war das Erstaunen, in das sie den Statthalter und seine Umgebung versetzten. Sofort wurden sie in das Gefängnis gebracht. Nachdem wenige Tage später ihnen zwei andere zugesellt worden waren — der eine, ebenfalls mit Namen Agapius, hatte schon vor ihnen ob seines wiederholten früheren Bekenntnisses schreckliche und mannigfache Foltern zu überstehen gehabt6 , der andere, der auch den Namen Dionysius trug, hatte ihnen das zum Lebensunterhalt Nötige gebracht —, wurden alle, jetzt acht an der Zahl, an einem Tage in Cäsarea enthauptet, am vierundzwanzigsten Tage des Monats Dystrus, das ist am neunten Tage vor den Aprilkalenden7 .
In dieser Zeit erfolgte der Rücktritt von den zwei Herrschern, des ersten unter allen und des zweiten nach ihm, in das Privatleben. Darunter fing auch das Staatswesen selbst zu leiden an; bald darauf ward das römische Reich selbst in sich gespalten, ein Krieg unter sich ließ die Herrscher nicht zur Versöhnung kommen, und die Uneinigkeit und die damit verbundenen Unruhen hörten nicht eher auf, als bis uns8 der Friede geschenkt wurde im ganzen römischen Weltreich9 . S. 281Denn sobald er allen gleich wie ein Licht in finsterer und dunkelvoller Nacht aufging, war auch sofort wieder der Staat der Römer fest und einig und friedlich, indem das alte gegenseitige gute Verhältnis, wie man es von den Vorfahren überkommen hatte, wiederkehrte. Doch davon werden wir seinerzeit bei der passenden Gelegenheit ausführlicher berichten. Für jetzt müssen wir zur weiteren Entwicklung der Dinge übergehen.
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Palästina ↩
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Das Edikt erschien Februar oder März 304. ↩
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Nach der längeren Rezension [S] hatte Timotheus schon vorher von den Bewohnern der Stadt Gaza schwere Leiden erdulden müssen, da dieselben ruchlos in ihrem Heidentum waren. ↩
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So genannt zur Unterscheidung von der in den apokryphen Acta Pauli et Theclae genannten Schülerin des hl. Paulus. ↩
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Die längere Rezension [S] rühmt ihren Wuchs und Körperbau. ↩
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Nach der längeren Rezension [S] stammte Agapius aus Gaza. ↩
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- März 305.
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Christen ↩
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Am 1. Mai 305 legten Diokletian und Maximian die Regierung nieder. An ihre Stelle traten als Augusti die bisherigen Cäsaren Galerius und Konstantius Chlorus, während Severus und Maximin Daja Cäsaren wurden. Nach dem frühen Tode des Konstantius Chlorus [Juli 306] riefen dessen Truppen seinen Sohn Konstantin zum Augustus aus, während die Truppen in Rom den Sohn des früheren Augustus Maximian, Maxentius, proklamierten. Für den Kampf gegen Galerius und Severus trat auch Maximian nochmals auf den Kampfplatz. Severus wurde besiegt und ermordet. An seine Stelle trat Licinius. In den nun folgenden jahrelangen Thronkämpfen kam Maximian 310 um und sein Sohn Maxentius erlag am 28. Okt. 312 Konstantin am pons Milvius. Nachdem Galerius bald nach Erlaß eines Toleranzediktes gestorben [5. Mai 311], besiegte Konstantins Verbündeter Licinius am 29. April 313 den Maximinus Daja; er starb auf der Flucht inTarsus in Cilicien. ↩