5. Kap. Philo übernimmt für die Juden eine Gesandtschaft an Gaius.
In fünf Büchern1 berichtet Philo über die Drangsale der Juden zur Zeit des Gaius. Daselbst erzählt er von S. 67 dem Wahnsinn des Gaius, seiner Selbstvergöttlichung, seinen tausenderlei verbrecherischen Regierungshandlungen, von den Leiden, denen die Juden unter ihm ausgesetzt waren, ferner von seiner eigenen Gesandtschaftsreise nach Rom zugunsten seiner Landsleute in Alexandrien, endlich von seinem Eintreten für die väterlichen Gesetze in Gegenwart des Gaius, was ihm nur Gelächter und Spott eintrug, ja fast das Leben gekostet hätte. Auch Josephus berichtet hierüber. Im achtzehnten Buche der „Altertümer“ schreibt er wörtlich also:2 „Als es in Alexandrien unter den dort wohnenden Juden und den Heiden zu einem Aufstand gekommen war, wurden aus beiden aufständischen Parteien je drei Gesandte3 ausgewählt, welche vor Gaius erschienen. Einer der alexandrinischen Gesandten war Apion. Dieser hatte die Juden wiederholt beschimpft und u. a. gegen sie den Vorwurf erhoben, daß sie die Ehrung des Kaisers unterließen. Denn während alle anderen Untertanen des römischen Reiches dem Gaius Altäre und Tempel errichteten und ihn auch sonst in jeder Beziehung gleich den Göttern achteten, hielten es die Juden allein für schändlich, ihn durch Bildsäulen zu ehren und bei seinem Namen zu schwören. Nachdem Apion zahlreiche schwere Anschuldigungen erhoben hatte, durch welche er Gaius zu reizen hoffen konnte, begann Philo, der Führer der jüdischen Gesandtschaft, ein weit und breit berühmter Mann, der Bruder des Alabarchen Alexander,4 ein wohlbewanderter S. 68 Philosoph, die Anklagen zu widerlegen. Doch Gaius hinderte ihn daran, da er ihm gebot, sofort abzutreten. In seinem Jähzorne hatte er offenbar Schlimmes gegen sie im Sinne. Tief gekränkt trat Philo ab. Zu den Juden seiner Umgebung sagte er: „Seid guten Mutes! Gaius zürnt euch zwar, aber seinem Wirken zürnt bereits Gott.“5 Soweit Josephus. Philo selbst teilt in seiner Schrift „Die Gesandtschaft“6 genau im einzelnen sein damaliges Verhalten mit. Das meiste hiervon will ich jedoch übergehen, um den Lesern nur ein deutliches Bild von den Schicksalen zu geben, welche über die Juden wegen ihrer Verbrechen an Christus entweder sofort oder alsbald hereingebrochen sind. Zunächst erzählt er, daß unter Tiberius in Rom Seianus, welcher damals auf den Kaiser großen Einfluß hatte, sich eifrig bemühte, das ganze Volk völlig zu vertilgen, daß ferner in Judäa Pilatus, unter dem der Erlöser leiden mußte, die Juden in höchste Aufregung versetzte, indem er sich an dem damals noch in Jerusalem bestehenden Tempel in einer vom jüdischen Standpunkt aus frevelhaften Weise vergriff.
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Von dem hier erwähnten, fünf Bücher umfassenden Werke Philos, das vermutlich unter dem Titel περὶ ἀρετῶν den Sieg des Glaubens und der Tugend über Gottlosigkeit und Laster verherrlichen sollte, sind nur noch Reste erhalten unter den beiden Titeln „An Flaccus“ und „Die Gesandtschaft an Gaius“. Die beiden erhaltenen Schriften entsprechen dem 3. und 4. Buche des verlorenen Werkes. ↩
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Altert. 18, 257—260. ↩
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Nach Philo, „Gesandtschaft an Gaius“ 46 schickten die Juden eine Abordnung von fünf Ältesten. ↩
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Manche identifizieren den Alabarchen mit dem an der Spitze der jüdischen Organisation in Alexandrien bzw. in ganz Ägypten stehenden Ethnarchen, der wahrscheinlich aus den edelsten und reichsten jüdischen Familien gewählt und von der römischen Regierung bestätigt wurde (vgl. Zöckler in Prot. Real-Enzykl. 3 XV 349; E. Le Camus, Dictionnaire de la Bible I 353). Nach Schürer, „Geschichte des jüd. Volkes“ III 4 (Leipzig 1909) 132—134 ist Alabarch dasselbe wie Arabarch und bezeichnet den obersten Zollpächter am arabischen Nilufer. Vgl. ebd. 79. ↩
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Vgl. A. Bludau, „Juden und Judenverfolgungen im alten Alexandria“ (Münster i. W. 1906) S. 66—88: „Die Judenverfolgung unter Kaligula“. Bludau verlegt die Audienz der Gesandtschaft bei Kaligula vor Herbst 39; über die Audienz urteilt er S. 81: „Zum ersten Male in der Geschichte trat damit das Judentum mit dem Heidentum in die Schranken, beide vertreten durch zwei Männer, welche von der Milch griechischer Kultur genährt waren.“ ↩
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Gesandtschaft 24, 38. ↩