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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Dritte Homilie. Kap. I, V. 1-16: „Das Buch der Abstammung Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.“

5.

Wenn du daher auch nur in der elften Stunde des Tages noch arbeitest, gibt er dir dennoch den vollen Lohn. Und wenn du auch kein Verdienst hättest, das dich retten könnte, sagt er, so will ich doch um meinetwillen sorgen, dass mein Name nicht entweihet werde1 . Wenn du auch nur seufzest zum Herrn, oder stille Tränen vergießest, gleich benützt er diesen Anhaltspunkt, um dich zu retten. Überheben wir uns also nicht selbst; sondern heißen wir uns selbst unnütz, damit wir brauchbar erfunden werden. Denn wenn du dich selbst für vortrefflich ausgibst, so bist du schal geworden, auch wenn du sonst tüchtig wärest; nennst du dich aber einen unnützen Menschen, so bist du brauchbar geworden, auch wenn du äußerlich nicht viel bedeutest. Deswegen sollen wir also unsere eigenen Verdienste vergessen.

Aber wie können wir Dinge vergessen, um die wir doch recht gut wissen?. Was sagst du? Du beleidigst jeden Tag den Herrn, lebst in Üppigkeit und Ausgelassenheit, und weißt dabei nicht einmal, dass du gesündigt hast, denkst nicht mehr daran, und nur deine guten Taten solltest du nicht vergessen können? Und doch ist die Furcht stärker.2 Wir aber tun, als wäre es umgekehrt. Jeden Tag verfehlen wir uns und doch denken wir nicht einmal daran; geben wir aber einem Armen ein kleines Almosen, so bilden wir uns schon, wer weiß wieviel, darauf ein; und doch ist dies äußerst töricht und bringt dem, der also tut, den größten Schaden; in einer sicheren Schatzkammer hinterlegen wir unsere guten Werke nur dann, wenn wir sie vergessen. Wenn wir schöne Kleider und Gold auf offenem Markte zur Schau tragen, S. 53ziehen wir uns nur viele Neider zu; legen wir sie aber zu Hause ab und verbergen sie, dann ist alle Gefahr beseitigt. So ist es auch mit den guten Werken; wenn wir sie immer in Gedanken mit uns herumtragen, so erzürnen wir damit den Herrn, liefern unserem Feinde Waffen, laden die Diebe selber ein. Kennt sie dagegen niemand, außer der, der allein um sie wissen soll, so sind sie sicher geborgen. Trage sie also nicht immer mit dir herum, damit keiner sie dir stiehlt. So ging es nämlich dem Pharisäer, der seine guten Werke auf seiner Zunge zur Schau trug. Ihm hat sie der Teufel gestohlen, obwohl jener derselben mit Dank gedachte, und alles Verdienst daran Gott zuschrieb. Er ließ es eben dabei nicht bewenden. Denn Gott Dank sagen und dazu andere schmähen, von allen geehrt werden wollen, und gegen Fehlende in Zorn entbrennen, das passt nun einmal nicht zusammen. Wenn du Gott Dank sagen willst, so beschränke dich auch darauf und lass die Menschen aus dem Spiel und klage nicht deinen Nächsten an; denn das heißt man keine Danksagung. Willst du wissen, wie man Dank sagen soll? Höre, wie die drei Jünglinge3 es machten: Wir haben gesündigt, wir haben dein Gesetz übertreten; du bist gerecht, o Herr, in allem, was du uns getan, nach gerechtem Urteil hast du alles angeordnet"4 . Also seine eigenen Sünden bekennen, das heißt man Gott Dank sagen; sich selbst unzähliger Fehltritte schuldig bekennen, und sich nicht weigern, die verdiente Buße zu tragen, das ist wirklicher Dank gegen Gott.

Hüten wir uns also, von uns selber zu reden. Das macht uns schon bei den Menschen verächtlich und dem lieben Gott ist es zum Abscheu. Je größer daher unsere Verdienste sind, um so bescheidener sollen wir von uns reden; so werden wir die höchste Ehre erlangen, bei den Menschen wie bei Gott; oder vielmehr bei Gott nicht bloß Ehre, sondern auch überreichen Lohn. Fordere darum den Lohn nicht selbst, damit du des Lohnes nicht verlustig gehest. Bekenne, dass es nur eine Gnade ist, wenn du gerettet wirst, dann S. 54wird Gott sich als deinen Schuldner bekennen, nicht wegen deiner guten Werke, sondern auch ob solcher edlen Gesinnung. Wenn wir nämlich gute Werke verrichten, so ist er nur unser Schuldner für die guten Werke, wenn wir das Gute aber nicht uns zuschreiben, so belohnt er uns auch noch für diese Gesinnung, und für sie noch mehr als für die Verdienste selber. Sie ist also mindestens ebensoviel wert wie jene. Denn wo diese nicht ist, erscheinen auch jene nicht groß. Auch wir haben ja unsere Dienstboten dann am liebsten, wenn sie in allem gutwillig dienen, und sich doch nicht einbilden, etwas Großes geleistet zu haben.

Willst du also den Wert deiner Verdienste erhöhen, so halte sie nicht für etwas Großes; dann erst werden sie groß. So sprach auch der Hauptmann: "Ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach"5 ; eben dadurch aber machte er sich würdig, und ward höher geschätzt als alle Juden. Ebenso sagt Paulus: "Ich bin nicht wert, Apostel genannt zu werden"6 , und gerade deswegen ward er der erste von allen. Auch Johannes der Täufer sagt: "Ich bin nicht würdig, ihm auch nur den Riemen seiner Schuhe aufzulösen"7 . Deswegen aber liebte ihn der Bräutigam, und die Hand, die er für unwürdig hielt, die Schuhriemen zu berühren, die hat Christus auf sein eigenes Haupt niedergezogen. In gleicher Weise sagt auch Petrus: "Geh fort von mir, ich bin ein sündiger Mensch"8 ; dafür wurde er zum Fundament der Kirche gemacht. Nichts liebt eben Gott so sehr, als sich selbst unter die Geringsten zu rechnen. Das ist der Anfang aller Weisheit. Wer demütig und zerknirscht ist, wird nicht dem Ehrgeiz, nicht dem Zorne und nicht dem Neid, auch keiner anderen Leidenschaft verfallen. Eine zerschmetterte Hand werden wir gegen niemand erheben können, wenn wir auch noch so gern Streit anfangen möchten. Wenn also die Seele in ähnlicher Weise zerknirscht ist, so wird sie sich nicht im geringsten überheben können, und wollten auch tausend S. 55Leidenschaften sie aufgeblasen und hochmütig machen. Wenn schon der, der in irdischen Dingen einen Verlust zu beklagen hat, alle Leidenschaften der Seele verbannt, um wieviel mehr wird der, der seine Sünden bereut, aus solcher Weisheit Nutzen schöpfen?

Aber, fragst du, wer kann sein Herz also zerknirscht machen? Höre, was David sagt, der sich ja hierin mehr als irgend jemand ausgezeichnet hat, und sieh, wie zerknirscht er in seinem Herzen war. Als er schon tausend große Taten verrichtet hatte, stand er in Gefahr, sein Land, sein Haus, ja sein Leben zu verlieren. Gerade in dieser Stunde des Unglücks sah er einen gemeinen, verworfenen Soldaten, der ihm schmähte und beschimpfte. Er aber, weit entfernt, ihn ebenfalls zu schmähen, hinderte sogar einen der Heerführer, denselben zu töten und sagte: "Lasst ihn, der Herr hat ihn also geheißen"9 . Als ein andermal die Priester ihn baten, in seiner Begleitung die Bundeslade mit sich führen zu dürfen, da duldete er es nicht, sondern antwortete wie? "Stellet10 in den Tempel, wenn der Herr mich befreit aus den Händen der Bösen, werde ich ihre Herrlichkeit schauen. Wenn er mir aber sagt: Ich habe kein Wohlgefallen an dir, so bin ich bereit; er möge mit mir verfahren, wie es am besten ist vor seinem Angesicht"11 . Auch die Art, wie er an Saul ein, zwei, ja mehreremal gehandelt hat, welches Übermaß von Frömmigkeit beweist sie nicht! Das ging sogar über das alttestamentliche Gesetz hinaus und kam bereits den Satzungen der Apostel nahe. Darum hat er alles willig angenommen, was vom Herrn kam, hat nicht gerechtet wegen dessen, was geschah, sondern auf eines nur war all sein Sinnen und Trachten gerichtet, überall zu gehorchen und seine Gesetze zu befolgen. Da, nachdem er sich schon so großmütig gezeigt, sah er den Tyrannen, den Vater- und Brudermörder, den Übermütigen, den Wutschnaubenden, der statt seiner die ihm gehörende Königskrone trug, und auch darüber geriet er noch nicht in Zorn. Wenn es Gott gefällt, sagte er, dass ich vertrieben und flüchtig S. 56umherirre, jener aber in Glanz und Ehre sei, bin ich's zufrieden und nehme es an, und ich werde ihm nur Dank wissen für das viele Böse, das er mir zufügt. Nicht so machen es die Anmaßenden und Verwegenen. Auch wenn sie nicht den hundertsten Teil von seinen Verdiensten aufzuweisen haben, so brauchen sie nur andere Leute in Glück zu sehen. während es ihnen ein wenig schlecht geht, und gleich stürzen sie auch noch ihre eigene Seele durch tausend Lästerungen ins Verderben. So hat es David nicht gemacht; er zeigte in allem Maß und Milde. Darum hat auch Gott gesagt: "Ich fand in David, dem Sohn des Jesse, einen Mann nach meinem Herzen"12 Diese Gesinnung sollen auch wir uns erwerben, und was immer uns widerfahren möge, alles bereitwillig ertragen; dann werden wir noch vor dem Jenseits hienieden schon die Frucht unserer Demut pflücken. Denn: "Lernet von mir," sagte der Herr, "ich bin sanftmütig und demütig von Herzen und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen"13 . Damit wir also in dieser wie in der anderen Welt Ruhe und Frieden genießen, seien wir eifrig darauf bedacht, die Mutter aller Tugenden, die Demut, unseren Seelen einzupflanzen. So werden wir nicht bloß das Meer dieses irdischen Lebens ohne Stürme durchfahren können, sondern auch in den ruhigen stillen Hafen des Jenseits gelangen, durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre und Macht sei in alle Ewigkeit. Amen!


  1. Ez 36,2223 ↩

  2. Das Gefühl der Furcht ob begangener Sünden ist im allgemeinen stärker und deutlicher als das der Hoffnung und des Vertrauens auf eigene Verdienste. ↩

  3. im Feuerofen ↩

  4. Dan 3,29,27,31 ↩

  5. Mt 8,8 ↩

  6. 1 Kor 15,9 ↩

  7. Mk 1,7; Mt 6,11 ↩

  8. Lk 5,8 ↩

  9. 2 Kön 16,11 ↩

  10. die Bundeslade ↩

  11. ebd 15,25.26 ↩

  12. Ps 88,4.21 ↩

  13. Mt 11,29 ↩

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