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Werke Johannes Chrysostomus (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Sechsundsechzigste Homilie. Kap. XX, V.29.-Kap. XXI, V.11.

2.

Irrig wäre die Meinung, der Vorgang habe nicht viel zu bedeuten. Denn wie kamen diese Landleute, die wahrscheinlich arm waren, dazu, sich ohne Widerspruch ihr Eigentum entführen zu lassen? Was sage ich, ohne Widerspruch? Sie stellten nicht einmal eine Frage, oder wenn schon, so ließen sie sich doch sofort beschwichtigen und erklärten sich bereit. Zwei sehr auffallende Umstände: sie sagten gar nichts dazu, dass man ihre Lasttiere wegführt, und willigen noch ohne Widerrede ein, als sie hören, der Herr bedürfte ihrer; und dabei sahen sie ihn selbst nicht einmal, sondern bloß seine Jünger. Der Herr gibt dadurch seinen Jüngern die Lehre, es wäre ihm ein Leichtes gewesen, die Juden, die ihn ergreifen wollten, auch gegen ihren Willen daran zu hindern und verstummen zu machen. Er wollte aber nicht. Ferner zeigt es damit den Jüngern, dass sie ihm alles gewähren müssen, was er verlangt, ja, dass sie selbst das Leben ohne Weigerung hingeben müssen, sobald er es fordert. Wenn nämlich schon Unbekannte ihm so zu Willen sind, wieviel mehr müssen dann sie alles preisgeben? Außerdem erfüllte der Herr noch zwei andere Weissagungen, die eine durch Handlungen, die andere in Worten. Die Prophetie, die er durch eine Handlung erfüllte, bestand darin, dass er auf einer Eselin ritt; die Weissagung, die er in Worten erfüllte, stammte vom S. d955 Propheten Zacharias, der verkündet hatte, der König werde auf einer Eselin sitzen. Indem er nun die Eselin bestieg, erfüllte er die Prophetie und baute zugleich eine neue darauf auf, indem er durch diese Tat die Zukunft vorbildete. Wie aber und auf welche Weise? Er deutete damit an, dass er die unreinen Heiden berufen und auf ihnen ruhen werde, dass sie seiner Einladung folgen und sich ihm anschließen würden. So bildete die eine Weissagung die Grundlage der anderen. Mich will es jedoch bedünken, als habe er nicht allein aus den erwähnten Gründen den Esel bestiegen, sondern dass er uns damit auch eine Richtschnur für das Leben geben wollte. Denn er beschränkte sich gewiss nicht bloß darauf, Weissagungen zu erfüllen und die Gesetze der Wahrheit aufzustellen, sondern wollte durch ebendiese Lehren auch Lebensregeln bieten, immer wieder Anweisungen für verschiedene Verhältnisse des Lebens geben und es in jeder Hinsicht so ordnen. So tat er es schon damals, als er in die Welt eintreten wollte. Er suchte sich kein glänzendes Haus, keine reiche und angesehene Mutter aus, sondern eine ganz arme, deren Bräutigam ein Zimmermann war; er wird in einem Stalle geboren und in eine Krippe gebettet.

Als es sich später um die Wahl der Jünger handelte, erkor er sich nicht Redner und Gelehrte, nicht Reiche und Vornehme, sondern arme und unbekannte Leute aus armen Familien. Und wenn es sich darum handelte, seinen Tisch zu decken, so setzt man ihm einmal Gerstenbrote vor, ein andermal schickt er erst zur Mittagszeit die Jünger auf den Markt einkaufen. Als Lagerstätte dient ihm Heu. Seine Kleidung ist einfach und in nichts von der des Volkes verschieden; Haus besitzt er gar keines. Wenn er sich von einem Orte an einen anderen begeben muss, so wandert er zu Fuß und geht sich dabei tüchtig müde. Zum Sitzen dient ihm weder Sessel noch Polster, er lässt sich bald auf den Boden, bald auf einem Berge, bald an einem Brunnen nieder; ja er setzt sich nicht bloß zum Brunnen hin, sondern tut es allein und er knüpft dann sogar ein Gespräch mit einer Samariterin an. Selbst für die Stunden der Trübsal will er eine Verhaltungsmaßregel geben. Er weint nur still, wenn er in Trauer ist. So gibt S. d956 er also, wie gesagt, Weisungen für alle Lebenslagen und zieht eine Grenze, die man im eigenen Verhalten nicht überschreiten darf. Dazu gehört nun auch unser Fall. Er gibt eine Maßregel für jene, die wegen ihrer Schwäche ein Reittier brauchen, und zeigt, man solle sich außer im Falle der Notwendigkeit nicht eines Pferdes oder Maultiergespannes, sondern eines Esels bedienen1 .

Betrachten wir jetzt die Weissagung selbst, die mündliche und die sachliche. Sie lautet: „Siehe, dein König kommt sanftmütig, reitend auf einer Eselin mit ihrem Füllen.“ Er kommt also nicht auf einem Wagen, wie andere Könige, nicht um Steuern einzuheben, nicht mit Groß und Leibwache, sondern er bekundet auch hierin eine große Bescheidenheit. Frage also nur einen Juden: Wann hat je ein König auf einem Esel in Jerusalem seinen Einzug gehalten? Er kann dir keinen Fall angeben außer diesen allein. Dieser Einzug sollte, wie schon erwähnt, auf die Zukunft hindeuten. Das Füllen sinnbildet die Kirche und das neue Volk, das zwar einst unrein war, aber rein wurde, als Jesus von ihm Besitz nahm. Beachtenswert ist, wie alle Züge dieses Bildes dabei zu treffen sind. Die Jünger binden die Lasttiere los; so wurden durch die Apostel die Juden und auch wir berufen, durch die Apostel wurden wir ihm zugeführt. Weil nun unsere Begnadigung die Eifersucht der Juden entfachte, darum wird offenbar die Eselin von ihrem Füllen begleitet. Denn sobald Christus die Heiden an sich gezogen haben wird, werden auch sie voll Eifersucht kommen. Diese Ansicht drückt sich auch klar in den Worten des hl. Paulus aus; „Die Verblendung trat teilweise an Israel ein, bis die Vollzahl der Heiden einginge. Und so wird ganz Israel gerettet werden“2 . In dem Vorgange liegt sonach, wie aus dem Gesagten hervorgeht, eine Weissagung; sonst hätte ja dem Propheten nichts daran liegen können, mit solcher Genauigkeit sogar das Alter des Esels anzugeben. Doch nicht bloß dieses ergibt sich aus dem Berichte, sondern auch die Tatsache, dass die Heiden von den Aposteln ohne Schwierigkeit werden geführt werden. Wie sich S. d957 nämlich hier niemand dem Wegführen des Esels widersetzte, so war auch bei den Heiden keiner ihrer Gewalthaber imstande, die Apostel zu hindern. Der Herr setzt sich indes nicht auf den bloßen Rücken des Füllens, sondern auf die Kleider der Apostel. Nachdem sie einmal das Füllen genommen hatten, gaben sie füglich alles hin, wie auch Paulus beteuert; „Ich werde gar gerne aufopfern und mich aufopfern lassen um eurer Seele willen“3 . Beachte dabei, wie fügsam das Füllen ist. Obwohl noch nicht zugeritten und noch an keinen Zügel gewöhnt, schreitet es doch ruhigen Schrittes dahin, ohne sich zu bäumen. Auch in diesem Umstande liegt eine Prophezeiung: Es wird angedeutet, wie willig sich die Heiden zeigen und mit welcher Bereitwilligkeit sie sich in die neue Ordnung fügen würden. Alle diese Wirkungen hatte das Wort: „Löset sie und bringet sie zu mir“; das Ungeordnete wurde in Ordnung gebracht, das Unreine wurde rein.


  1. im Orient noch jetzt das allgemein übliche Reittier der Armen ↩

  2. Röm 11,2526 ↩

  3. 2 Kor 12,15 ↩

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