II.
3. Denn ich, zwar abwesend dem Leibe, aber anwesend dem Geiste nach.
Sieh’, wie er zürnt! Er kann sich nicht gedulden, bis er persönlich mit ihm (dem Frevler) zusammenkommt, um ihn festzuhalten: sondern wie einen Verpesteten, den er beseitigen will, ehe er den übrigen Körper angesteckt hat, beeilt er sich, ihn zu ergreifen; und darum fügt er bei: „Ich habe schon entschieden, als ob ich anwesend wäre.“ Dieses sagt er nicht nur, um sie zum Geständniß zu bringen und jeder Ausrede vorzubeugen, sondern S. 243 auch um ihnen Furcht einzuflößen, daß er Alles wisse, was bei ihnen geschehen werde. Das heißt im Geiste gegenwärtig sein, wie Elisäus bei Giezi gegenwärtig war und sprach: „War nicht mein Herz bei dir?“1 Ha, wie groß ist die Wunderkraft, die da bewirkt, daß Alle beisammen und und wissen, was in der Ferne geschieht! „Ich habe schon entschieden, als ob ich anwesend wäre.“ Er läßt bei ihnen keinen andern Gedanken aufkommen: ich habe das Urtheil schon gefällt, als wenn ich gegenwärtig wäre. Rede mir nicht von Aufschub und Zögerung; denn es darf nichts Anderes geschehen! Damit aber Dieß nicht als Anmaßung erscheine und die Rede nicht den Schein des Eigendünkels annehme, so läßt er sie selber an dem Gerichte Theil nehmen. Denn nach den Worten: „Ich habe entschieden“ fährt er fort: „über Den, der solches Werk verübt hat,“
4. 3. im Namen unseres Herrn Jesus Christus, nachdem ihr vereinigt seid und mein Geist mit der Kraft unseres Herrn Jesus Christus, zu übergeben einen Solchen dem Satan.
Was heißt Das: „im Namen unseres Herrn Jesus Christus“? Nach Gottes Anordnung, nicht nach menschlicher Anmaßung. Einige lesen aber so: „Einen, der solches Werk verübt hat auf den Namen unseres Herrn Jesus Christus;“ — hier setzen sie einen Punkt oder Beistrich und fahren dann fort: — „nachdem ihr vereinigt seid und mein Geist, einen Solchen dem Satan zu übergeben;“ und sie behaupten, Dieses sei der Sinn des Textes: Denjenigen, der Dieses auf den Namen Christi gethan hat, übergebet dem Satan! Das heißt: Einen Solchen, der Christi Namen entehrt hat; einen Sol- S. 244 chen, der, nachdem er den Glauben angenommen und sich nach jenem Namen genannt hat. Solches that, übergebet dem Satan! Mir aber scheint die erstere Leseart die richtigere zu sein: Nachdem ihr im Namen des Herrn vereinigt seid, d. h. wenn selbst der Name, um deßwillen ihr euch vereinigt, euch zusammmenbringt. „Und mein Geist.“ Wieder stellt er sich an ihre Spitze, damit sie beim Gerichte, als wäre er persönlich anwesend, jenen Menschen ausschließen mochten und Keiner es wagen sollte, nachgiebig gegen denselben zu sein, wohl wissend, daß Paulus den Hergang der Sache erfahren würde. Darauf stellt er die Sache furchtbarer dar und spricht: „mit der Kraft unseres Herrn Jesus Christus,“ das heißt entweder: Christus kann euch eine solche Kraft verleihen, daß ihr jenen Menschen dem Satan übergebet; oder: Er selbst wird mit euch das Urtheil über ihn fällen. Er sagt aber nicht: dem Satan weihen, sondern: übergeben, und öffnet somit dem Sünder das Thor der Buße und übergibt ihn dem Satan etwa wie einem Zuchtmeister. Und wieder sagt er: „einen Solchen“ und nennt nirgends den Namen desselben. „Zum Verderben des Fleisches;“ wie es bei dem frommen Job geschah, obgleich nicht aus demselben Grunde. Denn dort geschah es, um ihm eine glänzendere Krone zu bereiten, hier aber zur Abbüßung der Sünden, damit ihn der Satan mit einem bösartigen Geschwüre oder einer andern Krankheit schlagen sollte. Anderswo sagt er: „Werden wir gerichtet, so werden wir vom Herrn gezüchtiget.“2 Hier aber übergibt er jenen Menschen zur härteren Strafe dem Satan. Und auch Dieses geschah nach Gottes Willen, damit sein Fleisch gezüchtiget würde. Denn weil aus Übersättigung und Schwelgerei des Fleisches die bösen Begierden entstehen, so züchtiget er dasselbe. „Damit der Geist am Tage des Herrn Jesu gerettet werde;“ nicht damit die Seele allein gerettet werde, sondern daß, wenn S. 245 jene offenbar gerettet wird, auch das Fleisch an der Rettung unwidersprechlich Theil nehmen könne. Denn durch die sündigende Seele ist dasselbe sterblich geworden; wenn aber jene thut, was recht ist, so wird auch das Fleisch großer Ehre genießen. Einige verstehen dagegen unter „Geist“ die Wundergabe, die ausgelöscht wird, wenn wir sündigen. Damit nun Dieß nicht geschehe, so soll das Fleisch gezüchtiget werden, damit der Geist auf diese Weise gebessert die Gnade herabziehe und dasselbe an jenem Tage gerettet darstelle. So zeigten denn diese Worte vielmehr Sorgfalt und Pflege an und nicht bloß Verwundung und Strafe ohne Weiteres. Der Gewinn überwiegt die Strafe, denn diese dauert nur einige Zeit, der Gewinn aber ewig. Auch sagt er nicht schlechthin: „daß der Geist gerettet werde,“ sondern: „an jenem Tage.“ Passend und rechtzeitig erinnert er sie an jenen Tag (des Gerichtes), damit sowohl sie desto eifriger nach ihrer Besserung streben sollten als auch Jener um so lieber seine Worte aufnehmen möchte, weil es nicht zürnende Worte sind, sondern Worte eines zärtlich bekümmerten Vaters. Darum sagt er: „zum Verderben des Fleisches“ und setzt schon dem Satan ein Ziel, das er nicht zu überschreiten befugt ist; sowie auch Gott in Bezug auf Job gesagt hatte: „Nur schone sein Leben!“3
Nachdem er das Urtheil gefällt und in wenigen Worten geäussert, wendet er sich, ohne dabei zu verweilen, wieder mit einer Rüge an die Gläubigen, indem er spricht:
