41. Die Christenverfolgung in Persien und die dortigen Martyrer
In jener Zeit begann der Perserkönig Isdigerdes die Verfolgung gegen die Kirchen; veranlaßt wurde er hierzu durch folgenden Vorgang. Es lebte damals ein gewisser Bischof Abdas, geschmückt mit vielen und mannigfaltigen Tugenden. Dieser zerstörte in übel angebrachtem Eifer ein Pyreum. Pyreen nennen die Perser ihre Feuertempel. Sie halten nämlich das Feuer für das göttliche Wesen. Als der König dieses von den Magiern erfuhr, ließ er den Abdas zu sich kommen, verwies ihm seine Tat zuerst in ruhiger Weise, verlangte aber, daß er das Pyreum wieder aufbaue. Als jedoch Abdas S. 325 widersprach und erklärte, daß er das unter keinen Umständen tun werde, da drohte der König mit der Zerstörung aller (christlichen) Kirchen; und wirklich brachte er seine Drohung auch zur Ausführung. Zuerst gab er den Befehl, jenen heiligen Mann hinzurichten, dann aber ordnete er die Zerstörung aller Kirchen an.
Ich behaupte nun, daß die Zerstörung des Feuertempels eine unzeitgemäße Tat war. Denn auch der heilige Apostel hat, als er nach Athen kam und die Stadt voller Götzenbilder sah1, keinen der von den Einwohnern verehrten Altäre zerstört, sondern ihnen durch sein Wort einerseits ihre Unwissenheit vorgehalten und andrerseits ihnen die Wahrheit gepredigt. Das andere aber, daß man einen niedergerissenen heidnischen Tempel nicht wieder aufbaut, sondern lieber den Tod hinnimmt als so etwas zu tun, das bewundere ich in hohem Grade und halte es für würdig der Martyrerkrone. Denn es scheint mir ganz gleich zu sein, ob man das Feuer anbetet oder ob man ihm einen Tempel errichtet.
Von diesem Vorfall nahm also der Sturm seinen Ausgang und walzte ganz schwere und wilde Wogen gegen die Jünger des wahren Glaubens. Seitdem sind dreißig Jahre verflossen, und der Sturm dauert fort und wird von den Magiern wie von heftigen Windstößen immer von neuem angefacht. Magier aber nennen die Perser jene Männer, welche die Elemente für göttliche Wesen halten. Ihre Religionslehre haben wir in einem anderen Werke beschrieben, wo wir auch auf ihre Fragen die entsprechenden Antworten gegeben haben2. Gororanes, der Sohn des Isdigerdes, übernahm nach dem Tode seines Vaters mit der Regierung auch die Verfolgung des christlichen Glaubens und hinterließ sterbend beide enge miteinander verbunden seinem Sohne.
S. 326 Die verschiedenen Arten der Strafen aber und die ausgesuchten Qualen, welche man den Christen zufügte, sind nicht leicht zu beschreiben. Den einen zog man die Haut von den Händen ab, anderen vom Rücken, wieder anderen löste man die Haut vom Kopfe ab, und zwar von der Stirne angefangen bis zum Nacken herab. Einige bedeckte man mit Rohrstengeln, die der Länge nach in zwei Teile geschnitten waren, wobei man die Schnittseite an den Körper anlegte, wickelte sodann vom Kopf bis zu den Füßen enganschließende Binden herum und zog hierauf die einzelnen Rohrstengel der Reihe nach mit Gewalt heraus, um so auch die anstoßenden Teile der Haut mitzureißen und die bittersten Schmerzen zu verursachen. Sie gruben ferner Löcher in die Erde, verputzten sie sorgfältig und verschlossen darin Scharen von großen Mäusen und warfen ihnen als Nahrung die Kämpfer für den wahren Glauben vor, nachdem sie dieselben an Händen und Füßen gebunden hatten, damit sie die Tiere nicht von sich abwehren könnten. Vom Hunger getrieben, nagten denn auch die Mäuse langsam das Fleisch von den Heiligen ab und bereiteten ihnen damit lange dauernde und bittere Schmerzen. Dazu ersannen sie noch andere Strafen, die noch schrecklicher waren als diese, da sie sich hierbei von dem Verwüster der Natur und dem Feinde der Wahrheit belehren und leiten ließen. Aber sie konnten die Standhaftigkeit der Kämpfer nicht brechen; diese eilten vielmehr von selbst herbei aus Verlangen nach dem Tode, dem Führer zum ewigen Leben3. Ich will nur zwei oder drei Beispiele anführen, um an diesen auch die Standhaftigkeit der übrigen zu zeigen.
Hormisdas war einer der vornehmsten Perser, ein Achämenide4, dessen Vater Statthalter gewesen war. S. 327 Als der König erfuhr, daß derselbe Christ sei, ließ er ihn kommen und befahl ihm, den göttlichen Erlöser zu verleugnen. Jener aber erwiderte, der Befehl des Königs sei weder gerecht noch auch nützlich. „Denn wer dazu angeleitet wird, daß er leichten Herzens den Gott des Weltalls verachtet und verleugnet, der dürfte noch leichter auch den König verachten, da dieser doch nur ein Mensch und sterblicher Natur ist. Wenn aber die schwerste Strafe derjenige verdient, der sich gegen deine Herrschermacht auflehnt, o König, so ist derjenige einer weit größeren Züchtigung würdig, der den Schöpfer des Weltalls verleugnet.” Obschon nun der König die Weisheit dieser Worte hätte bewundern sollen, beraubte er statt dessen den edlen Kämpfer seines reichen Vermögens und seiner Würden und verurteilte ihn dazu, nackt, nur mit einem Lendengürtel bekleidet, die Kamele des Heeres zu führen. — Viele Tage waren inzwischen vergangen, da erblickte der König von seinem Wagen aus jenen edlen Mann und sah, wie er von der Sonnenhitze versengt und ganz mit Staub bedeckt war. Und eingedenk seiner vornehmen Herkunft ließ er ihn zu sich kommen und mit einem aus Leinen gefertigten kurzen Unterrock bekleiden. Nun glaubte er, daß durch die bisherige Mühsal und durch die ihm jetzt widerfahrene freundliche Behandlung der Sinn des Mannes werde weicher geworden sein; deshalb sprach er zu ihm: „So laß denn jetzt wenigstens ab von diesem deinen Eigensinn und verleugne den Sohn des Zimmermanns!” Da zerriß jener voll heiligen Eifers das Untergewand und warf es dem Könige vor die Füße mit den Worten: „Wenn du meinst, mich durch diesen Unterrock vom wahren Glauben abwendig machen zu können, so behalte das Geschenk mitsamt deinem Unglauben!” Als der König diese seine Standhaftigkeit sah, trieb er ihn nackt aus dem Palaste.
S. 328 Ein gewisser Saenes, Besitzer von tausend Sklaven, leistete dem König Widerstand und wollte den Schöpfer nicht verleugnen. Da fragte ihn der König, welcher der schlimmste seiner Sklaven wäre, und diesem übertrug er die Herrschaft über die anderen Sklaven und verfügte, daß auch der Herr selbst ihm Sklavendienste leisten solle. Ja sogar die Herrin, die Gattin des Herrn, gab er ihm zur Frau, in der Meinung, den Vorkämpfer der Wahrheit hierdurch umstimmen zu können. Aber er täuschte sich in seiner Hoffnung, denn derselbe hatte sein Haus auf einen Felsen gebaut5.
Ferner ließ er einen gewissen Diakon Benjamin ergreifen und in das Gefängnis werfen. Zwei Jahre später kam ein römischer Gesandter, um wegen anderer Dinge zu verhandeln. Als derselbe von dieser Sache erfuhr, bat er den König um die Freilassung des Diakons. Der König verlangte, daß Benjamin verspreche, keinem der Magier die christliche Lehre zu verkünden. Der Gesandte versprach auch, daß Benjamin dem Befehle des Königs nachkommen werde. Allein Benjamin entgegnete auf das Zureden des Gesandten: „Es ist mir unmöglich, von dem Lichte, das ich empfangen habe, nicht wieder mitzuteilen. Denn wie strafwürdig es ist, das Talent zu vergraben, das zeigt uns die Parabel in den heiligen Evangelien6.” Doch von dieser Entgegnung erfuhr der König damals nichts, und so gab er den Befehl, den Diakon von seinen Fesseln zu befreien. Dieser aber setzte seine gewohnte Tätigkeit fort, die in der Finsternis der Unwissenheit Sitzenden zum Leben und zum Lichte der Erkenntnis zu führen. Nach Ablauf eines Jahres aber wurde diese Tätigkeit dem König angezeigt, worauf dieser den Diakon rufen ließ und ihm befahl, denjenigen zu verleugnen, den er bisher angebetet hatte. Da fragte jener den König, welcher Strafe derjenige verfallen würde, der sich seiner Herrschaft entziehen und eine andere ihm vorziehen würde. Und als der König antwortete: „Dem Tode und der allerschwersten Strafe”, da entgegnete der weise Mann: „Welche Strafe verdiente S. 329 also mit Recht nicht ein Mensch, der seinen Schöpfer und Urheber, seinen Ernährer und Erlöser verläßt, um dafür einen seiner Mitknechte zum Gott zu machen und die jenem gebührende Ehre diesem zu erweisen?” Erzürnt über solche Reden, ließ der König zwanzig Rohrstengel zuspitzen und ihm dieselben unter die Nägel der Hände und Füße hineinbohren. Als er aber sah, daß jener diese Strafe wie ein Kinderspiel betrachtete, ließ er noch einen anderen Stengel spitzen und in das Zeugungsglied hineinstoßen und ihm durch fortgesetztes Herausziehen und Zurückstoßen unaussprechliche Schmerzen bereiten. Nach dieser Marter befahl der ruchlose und vertierte Mensch, einen dicken Stock, der voller Knoten war, ihm durch das Gesäß in den Leib hineinzutreiben. Unter solchen Peinen gab der edle Kämpfer seinen Geist auf. Andere Grausamkeiten ähnlicher Art wurden von jenen gottlosen Menschen noch in Unzahl verübt.
Man darf sich aber nicht wundern, daß der Herr der Welt solch tierische Roheit und Gottlosigkeit erträgt. Haben ja auch vor der Regierung Konstantins des Großen alle römischen Kaiser gegen die Schüler der Wahrheit einen heftigen Krieg geführt. Diokletian hat sogar an dem Tage, wo der Erlöser für uns gelitten, alle Kirchen im ganzen römischen Reiche zerstören lassen7. Aber nach neun Jahren erhoben sich dieselben von neuem und wurden noch um vieles größer und schöner hergestellt als früher, während jener Kaiser zugleich mit seiner Gottlosigkeit von der Bildfläche verschwand. Zudem hat der Herr sowohl diese Kämpfe wie auch die Unüberwindlichkeit der Kirche vorausgesagt8. Und gerade die geschichtlichen Tatsachen lehren, daß uns der Krieg größeren Nutzen bringt als der Frieden. Denn letzterer macht uns üppig, schlaff und feige, der Krieg dagegen hält unseren Sinn lebendig und bewirkt, daß wir die zeitlichen Güter, weil vergänglich, S. 330 geringschätzen und verachten. Indessen haben wir dieses schon oft in anderen Schriften gesagt9.
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Apg. 17, 16. ↩
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In der Schrift „Ad quaesita Magorum”, die verloren [ge]gegangen ist, aber von Theodoret mehrmals erwähnt wird: so hier, ferner in der ep. 82 u. 113 (Migne 83, 1265 u. 1317) und in den Quaest. in Levit. 1 (Migne 80, 297). Vgl. unsere Allgem. Einleitung zu Theodorets Mönchsgeschichte. ↩
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Vgl. Graec. aff. curatio IX, bei Migne 83, 1045. Ausg. Raeder S. 229. ↩
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Die Achämeniden waren ein altpersisches Geschlecht, das nach einem vielleicht nur mythischen Ahnherrn Achämenes benannt wurde. Sie bildeten die edelste Familie des vornehmsten Stammes der Pasargaden. Aus diesem Geschlechte stammte Cyrus (558—29), der nicht nur Persien von der medischen Herrschaft befreite, sondern auch selbst die Herrschaft über Medien S. 327 an sich riß und die Gründung eines großen persischen Reiches einleitete, das erst 330 durch Alexander d. Gr. vernichtet wurde. Einzelne Glieder dieser Familie waren schon vor Cyrus (seit 606), unter Cyrus und seinen Nachfolgern und selbst noch nach dem Untergang des altpersischen Reiches (330) Unterkönige oder Statthalter. ↩
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Vgl. Matth. 7, 24 ff. ↩
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Matth. 25, 14—30; Luk. 19, 12—27. ↩
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Vgl. Theodoret, Graec. aff. curatio IX, Migne 83, 1041 B etc. Ausg. Raeder S. 225. ↩
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Matth. 10, 16 ff.; 16, 18; vgl. Theodoret, Graec. aff. cur. XI, Migne 83, 1120. Ausg. Raeder S. 295. ↩
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Vgl. S. 326 A. 1 und S. 329 A. 1 und 2. ↩