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Werke Dionysius Areopagita, ps. (520) Epistulae Briefe (Edith Stein)
VIII. Brief (an den Mönch Demophilos)

§ VI Die Vision des Karpos

Als ich einmal nach Kreta kam, nahm mich der hl. Karpos gastfreundlich auf, ein Mann, der wie irgendeiner durch die große Reinheit seines Geistes zur Gottesschau geeignet war. Er trat nämlich nicht zur heiligen Feier der Geheimnisse hinzu, wenn ihm nicht vorher bei den heiligen Vorbereitungsgebeten ein günstiges Gesicht zuteil wurde. Er erzählt nun, daß ihn einst ein Ungläubiger betrübt habe; Ursache der Trauer war, daß jener einen zur Kirche Gehörigen zur Gottlosigkeit verführt hatte, als noch die »heiteren Tage« (Fest der Tag- und Nachtgleiche) gefeiert wurden. Es hätte sich geziemt, für beide gütig zu beten und Gott den Heiland als Beistand zu nehmen, um den einen zu bekehren, den andern durch Güte zu besiegen; und er hätte das ganze Leben nicht ablassen sollen, sie zu ermahnen, bis er sie heute und auf solche Weise zur göttlichen Erkenntnis führen konnte, so daß ihnen das, was ihnen zweifelhaft schien, deutlich würde und sie durch gesetzmäßige Weisung genötigt würden, von dem, womit sie unvernünftig geprahlt hatten, zur Vernunft zu kommen. Aber was ihm früher niemals begegnet war – ich weiß nicht, wie es kam –, er war damals in sehr feindseliger und bitterer Stimmung zur Ruhe gegangen und in so schlechter Verfassung eingeschlafen (es war nämlich Abend); um Mitternacht (er pflegte nämlich um diese Zeit von selbst zu den Göttlichen Hymnen zu erwachen) stand er auf nach nicht ungestörtem, immer wieder unterbrochenem Schlaf. Da er nun ebenso bei der Zwiesprache mit Gott stand, unheilig betrübt und bedrückt, sagte er, es sei nicht recht, wenn gottlose Menschen lebten, die die geraden Wege des Herrn verdürben (verkehrten). Und indem er das sagte, bat er den Herrn, Er möge durch einen Blitz unbarmherzig beider Leben ein Ende machen. Als er das sagte, so berichtete er, habe er plötzlich gesehen, wie das Haus, in dem er stand, zuerst erschüttert wurde und vom höchsten First an mitten durchgespalten, und vor sich einen helleuchtenden Scheiterhaufen und diesen vom Himmel zu ihm herabgelassen (der Ort schien nämlich unter freiem Himmel zu liegen); den Himmel selbst aber geöffnet und auf dem Rücken des Himmels (ἐπὶ τῶ νώτῳ) Jesus umgeben von zahllosen Engeln in Menschengestalt. Das hätte er in der Höhe gesehen und hätte sich verwundert. Als Karpos aber nach unten schaute – so sagte er –, da sah er auch den Fußboden gleich einem weitklaffenden, dunklen Schlund gespalten und jene Männer, die er verflucht hatte, vor sich stehen am Rand des Schlundes, zitternd und erbarmungswürdig, schon fast hinunterstürzend, weil ihre eigenen Füße sie nicht mehr tragen wollten; unten aber sah er aus dem Schlund Schlangen heraufkriechen und sich um ihre Füße bewegen, sie bisweilen ziehen, indem sie sich heranschlängelten und sie belästigten und gegen sie angingen, bisweilen auch sie mit den Zähnen oder Schwänzen reizten (entzündeten = ὑποτυφόντας) oder kitzelten und sich auf alle Weise bemühten, sie in den Schlund hineinzustürzen; es waren aber auch Männer mitten unter den Schlangen, die mit ihnen gegen jene Männer vorgingen, sie schüttelten (διαδονοῦντας), stießen und schlugen; jene Männer aber schienen schon fast zu fallen, halb wider Willen, halb freiwillig, von dem Übel allmählich zugleich bezwungen und mürbe gemacht (überredet). Karpos sagte aber, er habe nach unten gesehen und sich gefreut, um das oben aber habe er sich nicht gekümmert. Er sei aber unzufrieden gewesen, weil sie immer noch nicht fielen, und dazu habe er sich oft hinabgebückt, und weil er nichts tun konnte, habe er sich geärgert und es herbeigewünscht. Und kaum hatte er den Kopf gehoben, da sah er wieder den Himmel, wie er ihn zuvor gesehen hatte; Jesus aber, voll Erbarmen mit dem, was geschah, sei von seinem überhimmlischen Thron aufgestanden und, bis zu ihnen herabsteigend, reichte Er ihnen die gütige Hand, und die Engel leisteten mit Ihm zusammen Beistand und stützten die Männer, der eine von hier, der andere von da, und Jesus sprach zu Karpos: Nun strecke die Hand aus und schlage auch Mich; denn Ich bin bereit, wiederum für die Rettung der Menschen zu leiden, und Ich will es sehr gern, damit nur die andern Menschen nicht sündigen. Sieh nur, ob es Dir mehr ansteht, in diesem Schlund und bei den Schlangen zu sein als bei Gott und den guten und menschenfreundlichen Engeln. Das ist es, was ich gehört habe; und ich glaube, daß es wahr ist.

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Briefe (Edith Stein)

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