8. Von der Habsucht: daß sie ausserhalb der Natur sei, und welcher Unterschied sei zwischen ihr und den natürlichen Lastern.
S. a413 Die Habsucht und der Zorn, obwohl sie nicht einer Natur sind, — denn die erstere ist ausserhalb der Natur, der andere aber scheint doch einen ursprünglichen Keim in uns zu besitzen, — entstehen doch auf ähnliche Weise, da sie von aussen zumeist die Ursache ihrer Erregung nehmen. Denn oft beklagen sich Solche, welche noch schwächer sind, daß sie durch Anreizung und Drängen Anderer in diese Sünden gefallen seien, und schützen als Grund vor, daß sie durch deren Überredung in Zorn oder Habsucht vorschnell gerathen seien. Daß die Habsucht ausserhalb unserer Natur liege, ist daraus klar zu ersehen, daß sie nachweislich ihren ersten Anfang nicht in uns hat 1 und auch nicht von der Materie aufgenommen wird, die zur Verbindung mit Leib und Seele gehört und zur Erhaltung des Lebens. Denn es ist doch gewiß, daß Nichts zum Gebrauche und Bedürfniß der gemeinsamen Natur gehöre als das tägliche Maaß von Speise und Trank; alle übrigen Gegenstände aber, mit welchem Eifer und welcher Anhänglichkeit sie auch bewahrt werden, stehen dem menschlichen Bedürfniß, wie der Lebensgebrauch selbst bestätigt, fern, weßhalb sie als ausserbalb der Natur stehend nur laue und schlecht gegründete Mönche beunruhigen können. Was aber zur Natur gehört, das beschäftigt stets auch die bewährtesten der Mönche, selbst wenn sie in der Einöde leben. Und so sehr zeigt sich das als durchaus wahr, daß wir auch einige Volksstämme von dieser Leidenschaft, d. i. der Habsucht, ganz frei sehen, weil sie die Krankheit dieses Lasters durch Brauch und Gewohnheit durchaus nicht annahmen. Wir glauben auch, daß jene frühere Welt, die vor der Sündfluth war, sehr S. a419 lange den Wahnsinn dieser Begierde nicht kannte. Sie kann auch erwiesener Maßen in einem Jeden von uns, der recht entsagt, ohne irgend eine Mühe getilgt werden, wenn Einer nemlich nach Hingabe alles Vermögens so sehr die Klosterregel zu erfüllen strebt, daß er von demselben auch nicht einen Denar für sich übrig läßt. Als Zeugen hiefür können wir viele Tausende von Menschen finden, die in einem kurzen Augenblicke all ihr Vermögen austheilten und diese Leidenschaft so sehr ausrodeten, daß sie fernerhin auch nicht einmal leicht von ihr bewegt wurden. Aber trotzdem können sie nicht sicher sein, wenn sie nicht zu jeder Zeit gegen die Gaumenlust streiten und mit aller Wachsamkeit des Herzens und Enthaltsamkeit des Körpers kämpfen.
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D. h.: sie braucht einen äusserlichen Gegenstand, ist aber nicht nothwendige Wirkung desselben, also doch unsere Schuld. ↩