Siebenter Artikel. Dem heiligen Geiste kam es zu, sichtbarerweise gesendet zu werden.
a) Dagegen spricht: I. Der Sohn, der sichtbar in die Welt gesandt worden, wird insoweit als geringer wie der Vater bezeichnet. Niemals aber wird dies vom heiligen Geiste gesagt. Also kommt es Ihm nicht zu, sichtbarerweise gesendet zu werden. VI. II. Sollte vom heiligen Geiste eine sichtbare Sendung gelten, so müßte Er eine sichtbare Kreatur angenommen haben wie der Sohn die Menschnatur. Das ist aber nicht geschehen. Er hat bloß durch einzelne sichtbare Kreaturen wie durch Zeichen Sich geoffenbart; wie dies noch geschieht in den Sakramenten und früher in den Figuren. Entweder also muß nach allem diesem eine sichtbare Sendung des heiligen Geistes angenommen werden oder gar keine. III. Jede sichtbare Kreatur ist eine Wirkung der ganzen Dreieinigkeit. Also wird durch bestimmte sichtbare Kreaturen der heilige Geist nicht mehr gesendet, wie eine andere Person. IV. Der Sohn ist sichtbar gesendet worden gemäß der würdigsten unter den sichtbaren Kreaturen. Also mußte auch der heilige Geist gemäß einer vernünftigen Kreatur sichtbar gesendet werden. IX. V. Was von seiten Gottes in sichtbarer Weise geschieht, das vollzieht sich vermittelst des Dienstes der Engel. (Augustin. de Trin. 4. 5. 9.) Erschienen also einzelne sichtbare Gestalten wie die Taube etc., so wurden diese durch die Engel hergestellt; und so wurden vielmehr die Engel gesendet wie der heilige Geist. X. VI. Nur um die unsichtbare Sendung zu offenbaren, würde der heilige Geist in sichtbarer Weise gesendet worden sein; denn das Sichtbare dient der Offenbarmachung des Unsichtbaren. An jenen also, an den die unsichtbare Sendung nicht ergangen war, durfte auch nicht die sichtbare Sendung gerichtet werden; und an alle, an welche die unsichtbare Sendung, sei es im Alten sei es im Neuen Testamente, ergangen ist, muß auch die sichtbare Sendung sich richten; was offenbar nicht der Fall ist. Also wird der heilige Geist sichtbarerweise nicht gesendet. Auf der anderen Seite heißt es bei Matth. 3., daß der heilige Geist herabstieg auf den Herrn unter der Gestalt einer Taube.
b) Ich antworte, daß Gott für alle sorgt und vorsieht je nach der Seinsweise eines jeden. Nun entspricht es aber der natürlichen Seinsweise des Menschen, daß er durch Sichtbares zum Unsichtbaren hingeleitet wird. Und somit ziemte es sich, durch Sichtbares das Unsichtbare zu offenbaren. Sowie also Gott Sich selbst und das verschiedenartige „Ausgehen“ der Personen durch einzelne sichtbare Kreaturen gemäß gewissen äußeren Zeichen den Menschen einigermaßen dargelegt hat; so war es zukömmlich, daß auch die unsichtbaren Sendungen der göttlichen Personen an einigen sichtbaren Kreaturen einigermaßen offenbar würden. Anders aber verhält sich da der Sohn und anders der heilige Geist. Denn dem heiligen Geiste, der als Liebe „ausgeht“, kommt es zu, das Geschenk der Heiligung zu sein. Dem Sohne aber, von dem der heilige Geist ausgeht, kommt es zu, das Princip der Heiligung zusein. Und deshalb ist der Sohn sichtbarerweise gesendet worden als der Urheber und das Princip der Heiligung; der heilige Geist aber als das Anzeichen der Heiligung.
c) I. Der Sohn hat die menschliche Natur zur Einheit der Person erhoben; so zwar daß, was von dieser erhobenen Kreatur ausgesagt wird, vom Sohne Gottes gilt. Und deshalb heißt es vom Sohne auf Grund der angenommenen Natur, Er sei geringer als der Vater. Der heilige Geist aber nahm nicht jene Kreatur, in welcher Er erschien, in die Einheit der Person auf, so daß, was von jener ausgesagt würde, auch von Ihm gelte. Also kann Er nicht wegen der sichtbaren Natur als geringer wie der Vater bezeichnet werden. II. Die sichtbare Sendung des heiligen Geistes wird nicht erwogen gemäß solcher Gesichte, welche in der Einbildung ihren Sitz haben, also nicht gemäß prophetischen Gesichten und Figuren. Denn Augustin (2. de Trin. c. 6.) sagt: „Die prophetische Vision hat sich nicht den Augen des Leibes dargestellt vermittelst körperlicher Formen, sondern im Geiste durch geistige Bilder des Körperlichen. Jene Taube aber und jene Zungen sahen mit Augen alle, welche dabei zugegen waren. Und nicht wiederum verhielt sich so der heilige Geist zu solchen Bildern und Gestalten wie der Herr zum Felsen, weil gesagt wird: Der Felsen aber war Christus. (1. Kor. 10.) Denn jener Felsen war schon in der Natur vorhanden und nur wegen der Ähnlichkeit in der Wirkung oder Thätigkeit wird er mit dem Namen Christi belegt, den er bezeichnete. Jene Taube aber und jenes Feuer erstanden plötzlich und einzig und allein, um dies zu bezeichnen. Ähnlich war dies vielmehr dem flammenden Feuer, welches im Dornbusche dem Moses erschien und jener Säule, welcher das Volk in der Wüste folgte und dem Donner und den Blitzstrahlen, die da schreckten, als das Gesetz dem Moses gegeben wurde auf dem Berge. Denn dazu erhielten Existenz die Bilder jener körperlichen Dinge, daß sie etwas bezeichneten und etwas vorherverkündeten.“ So also wird der heilige Geist nicht sichtbarerweise gesendet wie nach Weise prophetischer Visionen, die nur in der Einbildungskraft bestanden und nicht im körperlichen Leben; und auch nicht nach Weise der Zeichen in den Sakramenten des Neuen Bundes, wo bereits bestehende Dinge genommen werden, um etwas zu bezeichnen. Vielmehr heißt es vom heiligen Geiste, Er sei sichtbarer Weise gesendet worden, insoweit Er offenbar wurde in einigen Kreaturen wie in Zeichen, die dazu speciell hergestellt wurden. III. Wohl hat jene sichtbaren Kreaturen die ganze Dreieinigkeit gewirkt; sie sind aber hergestellt worden, um im besonderen diese oder jene Person zu bezeichnen. Denn sowie der Vater und der Sohn und der heilige Geist durch verschiedene Namen bezeichnet werden, so konnten sie auch durch verschiedene sichtbare Dinge bezeichnet werden; trotzdem unter ihnen keinerlei Trennung und Verschiedenheit besteht. IV. Die Person des Sohnes sollte hingestellt werden als der Urheber der Heiligung; und deshalb mußte die sichtbare Sendung des Sohnes vermittelst einer vernünftigen Kreatur sich vollziehen, deren Natur es zusteht, Princip des Handelns zu sein und der es sonach zukommt, geheiligt zu werden. Das Anzeichen der Heiligung aber konnte eine beliebige Kreatur sein; und es war zudem nicht notwendig, daß diese Kreatur vom heiligen Geiste in die Einheit der Person aufgenommen würde, da sie ja nicht dazu dienen sollte, zu handeln, sondern nur, um zu bezeichnen; und aus demselben Grunde war es nicht notwendig, daß sie dauerte, außer solange als ihr Zweck es mit sich brachte. V. Jene Kreaturen werden hergestellt durch den Dienst der Engel; nicht aber um einen Engel zu bezeichnen. Weil also der heilige Geist in jenen sichtbaren Kreaturen war, wie das Bezeichnete im Zeichen, so wurde der heilige Geist gemäß ihnen sichtbar gesendet, und nicht ein Engel. VI. Das wird von der unsichtbaren Sendung nicht erfordert, daß sie immer durch ein sichtbares Zeichen offenbar werde; sondern wie es 1. Kor. 12. heißt, „wird die Offenbarung des Geistes einem gegeben zum Nutzen;“ nämlich zum Nutzen der Kirche. Dieser Nutzen besteht nun darin, daß durch derartige Zeichen der Glaube gekräftigt und verbreitet werbe. Das geschah hauptsächlich durch Christum und die Apostel, wie Hebr. 2. der heilige Paulus sagt: „Da nun der Glaube begonnen hatte, durch den Herrn gepredigt zu werden, ist er durch die, welche gehört haben, bis zu uns hin gekräftigt worden.“ Und deshalb mußte die sichtbare Sendung des heiligen Geistes hauptsächlich an Christus sich richten und an die Apostel und an einige Hauptheilige, in welchen gewissermaßen die Kirche begründet wurde. Eine solche sichtbare Sendung aber richtete sich auf Christus, um die unsichtbare Sendung zu offenbaren, welche bereits im Augenblicke seiner Empfängnis an Ihn ergangen war. Diese sichtbare Sendung ist nun erfolgt bei der Taufe unter der Form einer Taube, die da ein fruchtbares Tier ist; um darzuthun die Autorität Christi, mit welcher Er Gnade verleiht vermittelst geistiger Wiedergeburt. Deshalb ertönte die Stimme des Vaters: „Das ist mein geliebter Sohn;“ damit nach seiner Ähnlichkeit andere wiedergeboren würden. In der Verklärung aber geschah die sichtbare Sendung unter der Form einer leuchtenden Wolke, um den überfließenden Reichtum der Lehre des Herrn zu zeigen; wonach auch gesagt ward: „Ihn höret.“ An die Apostel endlich erging die sichtbare Sendung des heiligen Geistes unter der Form des Hauches, um die Macht zu zeigen, die sie besaßen in der Spendung der Sakramente; weshalb ihnen gesagt wurde: „Deren Sünden ihr vergebet, denen sind sie vergeben;“ — dann unter der Form von Feuerzungen, um ihre Pflicht darzulegen, daß sie die Welt belehren; weshalb da gesagt ist: „In verschiedenen Sprachen redeten die Apostel.“ An die Väter des Alten Testamentes aber durfte eine sichtbare Sendung des heiligen Geistes nicht ergehen. Denn zuerst mußte sich vollzogen haben die sichtbare Sendung des Sohnes, da der heilige Geist den Sohn offenbart; ähnlich wie der Sohn den Vater. Jedoch hatten die alten Väter sichtbare Erscheinungen der drei göttlichen Personen, die aber nicht (Aug. 2. de Trin.) als sichtbare Sendungen bezeichnet werden können; denn sie geschahen nicht, um das Innewohnen der göttlichen Person durch die Gnade, also die innere unsichtbare Sendung zu kennzeichnen, sondern um anderer Zwecke willen.
