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Works Gregory I, pope (540-604) Einleitung zu Gregor dem Grossen
5. Gregor als Papst

b. Das Verhältnis zwischen Kaisertum und Papsttum

Aus dem Gesagten geht hervor, daß damals die politische Macht Konstantinopels in Italien gering war. Je mehr sie zurücktrat, desto mehr wuchs der Einfluß des Papsttums in Rom. Als Diokletian und nach ihm Konstantin den Herrschersitz des großen Reiches nach Byzanz verlegten, als Italien nach den Ostgotenkämpfen eine Provinz Ostroms und Ravenna der Sitz des Exarchen geworden war, wird in dem freien Raum S. 29 um Rom naturnotwendig eine neue Macht emporgetragen, ein neues geistig-religiöses Kaisertum. Solange die beiden Reiche dann nebeneinander bestehen, greifen sie verschiedentlich ineinander über. Der oströmische Kaiser ist der große weltliche Gesetzgeber; er beruft auch Konzilien, erläßt kirchliche Edikte, verdammt Häresien; seine Person und seine Regierung gelten als heilig. Anderseits werden dem Papste und den Bischöfen Italiens von Justinian 554 viele Befugnisse weltlicher Art übertragen: Der Papst wird neben dem Senate mit der Kontrolle der Maße und Gewichte betraut; die Bischöfe wählen gemeinsam mit den angesehensten Grundbesitzern die Statthalter der Provinzen; sie können in die Amtsbefugnisse, besonders in die richterliche Gewalt des Statthalters eingreifen. Dadurch gelangte der Papst, dem die Bischöfe unterstanden, zu großem weltlichen Einfluß. 1

Gregor bringt nie Kirche und Staat in Gegensatz zueinander, sondern immer nur die Kirche Gottes und die sündige Welt; von dieser gehen die Übergriffe aus, wenn solche bei den staatlichen Beamten oder bei den Bischöfen zutage treten. Gregor wacht gewissenhaft und peinlich darüber, daß sie vermieden werden, und hält mit Verweisen nicht zurück, wie seine Briefe bekunden; das gilt auch dem Kaiser Mauritius (582—600) gegenüber. Die Briefe des Papstes an ihn sind äußerst respektvoll gehalten; wo er es aber als seine Pflicht erkennt, so in der Angelegenheit des Exarchen Romanus oder des Patriarchen Johannes Jejunator, schlägt Gregor einen sehr strengen und ernsten Ton an.

Das Ansehen des Papstes und sein Einfluß waren auch deswegen so groß, weil er durch die Mehrung der Güter des apostolischen Stuhles einer der größten, wenn nicht der größte Grundbesitzer in Italien war. Die Kirche besaß schon vor Konstantin kleinere Liegenschaften, die allerdings in der Verfolgungszeit oft gefährdet waren. 321 gab Konstantin der Kirche das Recht, Güter zu erben, und beschenkte sie selbst. Reiche Adelsfamilien ahmten ihm nach. Bald auch ließen die traurigen Ver- S. 30 hältnisse den Besitz von Landgütern nicht mehr so wie früher begehrenswert erscheinen. Deshalb verschenkten manche ihre Güter. Auf diese Weise gelangte der päpstliche Stuhl zu großen Besitztümern in Kampanien, Tuscien, Unter- und Oberitalien, auf Sizilien, Korsika, Sardinien, in Dalmatien und Afrika. 2 Mit staunenswerter Vielseitigkeit überwacht und leitet Gregor die Verwaltung dieser Güter, wie uns seine Briefe zeigen. 3 Er legt großes Gewicht auf regelmäßige Abrechnung, auf gerechte Behandlung der Pächter und besonders auf die Verwendung der Einkünfte. Den Armen, der hungernden Bevölkerung Roms, den Klöstern, Armenhäusern, Spitälern und kirchlichen Gebäuden sollten die Erträgnisse an Getreide, Öl, Wein, Wolle und Bauholz vor allem zugute kommen. So wurde die römische Kirche in dieser Zeit zu einem Kornspeicher, der allen offen stand, der Papst selber aber der Hausvater Christi 4 und der große Wohltäter der Armen. „Mit tausend Augen überschaut er wie ein Argus die ganze Welt“ 5 und erfährt auf vielerlei Wegen, wo irgendeine Not der Abhilfe bedarf. Unzählige Stellen der Briefe sagen uns, mit welcher Entschiedenheit, aber auch mit welcher Freigebigkeit und Feinsinnigkeit er vorging. Nur zwei Stellen seien angeführt. An Subdiakon Anthemius schreibt er 591: „Als Du von mir Abschied nahmst, und dann noch bei anderer Gelegenheit habe ich Dir aufgetragen, Dich der Armen anzunehmen und es mir mitzuteilen, wenn Du irgendwo Not wahrnimmst. Das hast Du nur in wenigen Fällen getan. Ich will aber, daß Du der Frau Pateria, meiner Tante, unverzüglich S. 31 nach Empfang dieses Auftrages zum Unterhalt ihres Gesindes 40 Dukaten und 400 Scheffel Weizen anweisest, der Frau Palatina, der Witwe des Urbicus, 20 Dukaten und 300 Scheffel Weizen, und Frau Viviana, der Witwe des Felix, ebenfalls 20 Dukaten und 300 Scheffel Weizen. Die 80 Dukaten sind in die Rechnung einzusetzen.“ 6 Diakon Cyprian erhält 595 die Anweisung: „Mein Mitbruder, Bischof Zeno, benachrichtigt mich, daß die Leute in seiner Stadt Mangel leiden. Da ich ihnen helfen will, trage ich Dir auf, dem genannten Mitbruder und Bischof 1000 Scheffel Weizen oder, wenn er mehr abführen kann, bis zu 2000 Scheffel anzuweisen. Tu das sofort ohne Verzögerung.“ 7

Das waren in knappen Zügen die weltlichen, politischen und sozialen Verhältnisse, mit denen sich Gregor während seines ganzen Pontifikates befassen mußte. Es ist selbstverständlich, daß ein Mann von so festem Willen und von solcher Gewissenhaftigkeit den inneren Fragen der Kirche erst recht seine Sorgfalt zuwandte.


  1. Vgl. Schnürer Dr. Gustav, Die Entstehung des Kirchenstaates. Köln 1894 (im Auftrage der Görresgesellschaft), S. 15. ↩

  2. Vgl. Schnürer a. a. O., S. 5—8. ↩

  3. Vgl. H. Grisar, Die historischen Grundlagen der päpstlichen Macht, in Süddeutsche Monatshefte, März 1917, „Der Vatikan“, S. 691 f. ↩

  4. Johannes Diac., S. Gregorii vita, lib. II 26, Migne P. L. LXXV 97. Wir verstehen heute, was es heißt, wenn Johannes Diaconus hier schreibt: „Jeden Monatsersten ließ er als des Herrn Hausvater von den Erträgnissen an die Armen austeilen, je nach der Zeit Getreide, Wein, Käse, Gemüse, Speck, Eßwaren, Fische und Öl.“ ↩

  5. Joh. Diac., S. Gregorii vita, lib. II 55, Migne P. L. LXXV 112. ↩

  6. Ep. lib. I 39, Migne P. L. LXXVII 493. ↩

  7. Ep. lib. VI 4, Migne P. L. LXXVII 796. ↩

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