2.
Wenn aber doch Engherzige die Größe Gottes darin erblicken wollen, daß er an den Eigentümlichkeiten unserer Natur nicht teilnehme, so hätte sich Gott zu einer ebenso unrühmlichen Handlungsweise herbeigelassen, wenn er sich mit einem himmlischen statt mit einem irdischen Leibe verbunden hätte. Denn der Abstand Gottes als des Allerhöchsten und seiner Natur nach gänzlich Unerreichbaren von allen seinen Geschöpfen ist gleich groß, und für ihn haben alle Wesen, die unter ihm stehen, gleichen Wert. Denn was überhaupt unzugänglich ist, kann nicht für das eine erreichbar, für das andere unerreichbar sich zeigen, sondern thront über allem in gleicher Höhe. Daher ist der Würdigkeit nach die Erde Gott nicht ferner und der Himmel ihm nicht näher; ebensowenig unterscheiden sich die Bewohner der beiden Regionen in dieser Hinsicht voneinander, als ob die einen dem Unerreichbaren näher, die anderen ihm ferner stünden. Man müßte denn annehmen, daß die alles regierende Macht nicht alles in gleicher Weise durchdringe, sondern in den einen Geschöpfen mehr, in den anderen weniger gegenwärtig sei; alsdann aber würde die Gottheit auf Grund dieses Unterschiedes zwischen Mehr und Weniger, zwischen Höherem und Niedrigerem sich notwendig als zusammengesetzt darstellen, ohne Einheit mit sich, insofern sie nach einer solchen Auffassung schon ihrer Natur uns Menschen ferne, anderen Geschöpfen dagegen nahe stünde, so daß sie mit diesen leicht in enge Verbindung treten könnte, weil mit ihnen verwandt. Doch die wahre Anschauung zieht, wenn die unendliche Majestät Gottes in Betracht kommt, keine Vergleiche zwischen höheren und niedrigeren Geschöpfen; denn alle stehen gleich tief unter der alles regierenden Macht, so daß, wenn man die irdische Natur des Menschen einer S. 57 Verbindung mit Gott für durchaus unwürdig halten will, man kaum eine andere finden wird, die einer solchen Vereinigung würdiger wäre. Steht nun alles hinsichtlich der Würdigkeit gleich weit von Gott ab, so bleibt doch das eine Gottes würdig und ihm angemessen, jenen Wohltaten zu erweisen, die deren bedürftig sind. Wenn wir also bekennen, Gott sei dahin gegangen, wo die Krankheit war, was glauben wir damit, was dem Begriffe Gottes unangemessen wäre?Kapitel 28. Auch die menschliche Geburt ist Gottes nicht unwürdig.