72. Konstantin empfindet bei seiner Frömmigkeit sehr großen Schmerz, so daß er sogar Tränen vergießen muß und seine beabsichtigte Reise nach dem Osten aufschiebt.
„Gebet mir also die ruhigen Tage und die sorglosen Nächte wieder, damit auch mir die Freude an dem reinen Lichte und der Frohsinn eines fürder ruhigen Lebens bewahrt bleibe; andernfalls aber müßte ich klagen und vor Weinen ganz vergehen und meine Lebenszeit in Bitterkeit verbringen. Denn wahrlich, wenn das Volk Gottes, ich meine meine Mitknechte, in so ungerechtem und schädlichem Zank untereinander gespalten ist, wie kann ich da in Zukunft noch die Ruhe meines Herzens bewahren? Damit ihr aber merket, wie übermäßig mein Schmerz hierüber ist, so wisset: Neulich drängte mich S. 91bei meinem Aufenthalt in Nikomedia plötzlich mein Herz, nach dem Orient zu eilen. Da ich so schon zu euch trachtete und schon mein Herz fast ganz bei euch weilte, da hat die Kunde von dieser Angelegenheit meinen Entschluß rückgängig gemacht. Ich wollte nicht gezwungen sein, mit eigenen Augen anzusehen, was ich nicht einmal anhören zu können glaubte. Öffnet mir also fürder durch eure Eintracht den Weg nach dem Osten, den ihr mir durch eure gegenseitigen Zwistigkeiten verschlossen habt, und gestattet mir in Bälde, freudig euch und zugleich alle andern Völker zu sehen und dem Höchsten für die gemeinsame Eintracht und Freiheit aller den gebührenden Dank in gemeinschaftlichen Lobgesängen darzubringen.“