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Works John Chrysostom (344-407) In Matthaeum homiliae I-XC Kommentar zum Evangelium des hl. Matthäus (BKV)
Achtzigste Homilie. Kap.XXVI,V.6-16.

4.

Daher sagt auch jemand: „Es gibt nichts Gottloseres als einen Geldgierigen“1 . Denn ein solcher verkauft sich selbst und wandelt als Feind aller Welt umher, er ist unzufrieden, weil die Erde anstatt der Ähren, die Quellen anstatt des Wassers, die Gebirge anstatt der Steine kein Gold liefern, er ist unglücklich über ein fruchtbares Jahr, und niedergeschlagen, wenn es den Mitmenschen gut geht; er weicht allen Gelegenheiten aus, wo es kein Geld zu gewinnen gibt, erträgt aber alle Mühen, wo auch nur zwei Pfennige zu holen sind; er hasst alle Leute, Reiche wie Arme, die Armen, weil sie zu ihm betteln kommen könnten, die Reichen, weil er ihr Vermögen nicht selbst besitzt. Er denkt, das Vermögen aller anderen gehöre eigentlich ihm und ist daher gegen alle voll Unwillen, als ob alle ihm Unrecht täten. Er weiß nicht, was Genughaben und Sattsein heißt, und ist so der allerelendeste Wicht, wie anderseits der allerbeneidenswerteste Mensch der ist, der von all dem frei ist und tugendhaft lebt.

Der Tugendhafte genießt das allergrößte Glück, mag er auch ein Sklave oder ein Gefangener sein. Niemand kann ihm Böses zufügen, auch wenn man sich aus aller Welt gegen ihn zusammenscharte, um mit Waffen und Heeresgewalt ihn zu befehden. Der Schlechte und S. d1149 Böse hingegen, wie wir ihn geschildert haben, mag er ein König sein und tausend Kronen tragen, er muss sich doch vom ersten besten das Allerärgste gefallen lassen. So machtlos ist das Laster, so stark ist die Tugend. Warum kränkst du dich also, wenn du arm bist? Warum weinst du, da du doch ein Fest feierst? Denn es ist eine Festzeit, wenn man arm ist. Warum jammerst du? Die Armut ist ein Hochfest, wofern du nur vernünftig bist. Warum klagst du, Kind? So muss man dich ja nennen, wenn du dich so beträgst. Hat dich einer geschlagen? Ja, was hat denn das zu sagen: Er hat dich damit nur abgehärteter gemacht. Er hat dir das Geld weggenommen? Er hat dich nur vom Übermaß deiner Bürde erlöst. Er hat deine Ehre untergraben? Damit berührst du nur wieder eine andere Art von Freiheit. Vernimm doch, wie weise die Heiden darüber denken, wenn sie sagen: Man kann nichts Schlimmeres erdulden, wenn man sich nichts daraus macht. Aber er hat dich um dein großes, umfriedetes Haus gebracht? Wohlan, siehe die ganze Erde, die öffentlichen Gebäude, liegen vor dir, du kannst dich daran ergötzen oder sie benützen, so viel du willst. Gibt es etwas Erfreulicheres oder Reizenderes als das Himmelsgewölbe? Wie lange gibt es noch Bettler und Arme? Reich kann nur der genannt werden, der in der Seele reich ist, und nur der ist arm, der es in der Gesinnung ist. Da die Seele den Leib überwiegt, so ist dieser als das Mindere nicht imstande, die Seele nach seinem Wesen zu gestalten, vielmehr zieht sie, weil sie Herrin ist, das minder Vornehme zu sich empor und gestaltet es um. Das können wir am Herzen beobachten. Wenn es Schaden nimmt, so leidet der ganze Leib darunter; ist es krank, so trifft der Nachteil den ganzen Menschen; ist es gesund, so kommt es dem ganzen Leibe zustatten. Mag auch sonst ein Teil angegriffen werden, so wird doch das Übel leicht abgewendet, wenn das Herz heil bleibt.

Um meine Ausführungen noch mehr ins Licht zu stellen, frage ich, was nützt es, wenn die Zweige grünen, während die Wurzel fault? Und wenn sie gesund ist, was schadet es, dass die Blätter oben verdorren? Ebenso ist es auch in unserem Falle; wenn die Seele S. d1150 arm ist, nützt es nichts, dass man Geld hat, und wenn die Seele reich ist, kann die Armut nicht schaden. Wie fragst du, kann die Seele reich werden, wenn das Geld fehlt? Gerade dann kann sie am ehesten reich werden, ja gerade dann ist sie gewöhnlich am reichsten. Ist es, wie wir schon oft bewiesen haben, ein Zeichen von Reichtum, wenn man das Geld verachtet und nichts braucht, dann auch ein Zeichen der Armut, wenn man etwas braucht; auch ist es leichter, in der Armut als im Reichtum das Geld geringzuschätzen. Es ist also offenbar die Armut am meisten geeignet den Menschen reich zu machen. Jedermann weiß ja, dass ein Reicher mehr nach Geld geizt als ein Armer, gleichwie ein Trunkenbold heftigeren Durst leidet als einer, der nur nach Bedürfnis trinkt. Das ist eben das Eigentümliche an der Leidenschaft, dass sie durch Befriedigung nicht erstickt, sondern im Gegenteil nur um so heftiger entfacht wird. Das Feuer wütet um so ärger, je mehr Nahrung es findet; so wächst auch die Geldgier dann am stärksten, wenn man sie mit Gold sättigen will. Wenn demnach das Verlangen nach größerem Besitz Armut offenbart, dann ist der Reiche arm, weil er dieses Verlangen hat. Siehst du, dass die Seele dann besonders arm ist, wenn sie reich, und reich, wenn sie arm ist? Diesen Beweis können wir ferner auch an Personen führen. Gesetzt, zwei Leute werden ihres Geldes beraubt, von denen der eine zehntausend Talente, der andere zehn hat; wer von beiden wird nun schmerzlicher betroffen werden? Doch wohl der, welcher zehntausend eingebüßt hat. Es würde ihm aber nicht mehr leid tun, wenn er nicht mehr daran gehangen hätte; da er aber mehr daran hängt, ist auch sein Verlangen heftiger; da er mehr darnach verlangt, so ist er auch ärmer. Man verlangt ja nur nach dem, was einem besonders mangelt, aus dem Mangel erwächst die Begierde. Wo Sättigung vorhanden ist, kann keine Begierde entstehen; dürstet man doch nur dann so sehr, wenn man nicht genug zu trinken hat. Alles das habe ich gesagt, um zu zeigen, dass uns, wofern wir vernünftig sind, niemand schädigen kann, und dass das Übel nicht in der Armut, sondern in uns S. d1151 selbst liegt. Darum bitte ich, mit allem Eifer die Sucht der Habgier auszurotten; dann werden wir hienieden reich werden und dazu noch den ewigen Lohn erhalten, der uns allen zuteil werden möge durch die Gnade und Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dessen Ehre währt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen!


  1. Eccl 10,9 ↩

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