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Wer noch jenes alte Ägypten gekannt hat, das gegen Gott gestritten und gewütet, das Katzen verehrte, das vor Zwiebeln sich fürchtete und erschrak,1 , der wird die Macht Christi wohl zu schätzen wissen. Indes, wir brauchen nicht auf alte Begebenheiten zurückzugreifen; denn bis auf den heutigen Tag sind uns die Überreste jener törichten früheren Verirrung zum Beweise erhalten geblieben. Aber trotzdem stellen jetzt diejenigen, deren ganze Vergangenheit auf solche Torheiten zurückführt, über den Himmel und über himmlische Dinge Betrachtungen an, lachen über die Gebräuche ihrer Väter, bemitleiden ihre Vorfahren, und kümmern sich nicht mehr um das, was die2 Philosophen sagen. Denn sie haben an deren eigenem Leben gesehen, dass ihre Lehren nicht mehr wert sind, als das Wahngerede von alten betrunkenen Weibern. Die wahre Philosophie hingegen, die auch des Himmels würdig ist, ist diejenige, die ihnen durch die Fischer verkündet wurde. Darum haben sie neben so großer Treue in der Lehre3 auch im praktischen Leben so großen Eifer gezeigt. Sie haben sich all ihres Besitzes entäußert und sind der ganzen Welt gekreuzigt worden4 ; ja sie gehen noch weiter und suchen durch ihrer Hände Arbeit zum Unterhalt der Bedürftigen beizutragen. Denn obwohl sie fasten und die Nächte durch wachen, glauben sie doch, am Tage nicht müßig sein zu dürfen. Im Gegenteil, sie bringen die Nächte mit heiligem Hymnengesang und Wachen zu, den Tag verwenden sie auf Gebet und auf körperliche Arbeiten, und ahmen so den Eifer des Apostels nach. Denn während auf ihn die Augen der ganzen Welt gerichtet S. 144waren, in der Erwartung, er werde die Bedürftigen5 nähren, hielt er sich eine Arbeitstätte und übte ein Handwerk aus, und gönnte sich ob dieser Arbeit selbst bei Nacht den Schlaf nicht6 ; um so mehr, wollen sie sagen, ziemte es sich für uns, die wir die Einöde aufgesucht, und nichts mit dem geräuschvollen Leben der Städte zu tun haben, die Stille und Ruhe der Einsamkeit zu geistlicher Tätigkeit zu benützen!
Schämen wir uns darum alle, ob reich oder arm, beim Anblick dieser Leute, die gar nichts besitzen, als ihren Leib und ihre Hände, und sich doch abmühen und streben, auch den Armen damit noch Hilfe zu bringen; wir hingegen, die wie unzählige Reichtümer zu Hause besitzen, wir wollen nicht einmal den Überfluss zu Almosen verwenden! Womit sollen wir uns also rechtfertigen? sprich! Wie sollen wir dafür Nachsicht erlangen? Bedenke, wie sehr auch diese Ägypter früher der Habsucht ergeben waren, der Gaumenlust und vielen anderen Lastern! Dort waren ja die Fleischtöpfe, deren die Juden gedachten7 ; dort war der Magen der oberste Herr. Und dennoch änderten sie sich, weil sie es so wollten; die empfingen das Feuer Christi, und nahmen alsbald ihren Flug zum Himmel. Und obgleich sie alle anderen an Leidenschaftlichkeit übertrafen, und viel geneigter waren zum Zorn und zur Sinnenlust, so wetteiferten sie doch jetzt mit den unsichtbaren Mächten durch ihre Sanftmut und ihre sonstige Leidenschaftslosigkeit. Falls jemand in diesem Lande gewesen ist, so weiß er, was ich sage. Wer hingegen noch nie jene Hütten besucht hat, der erinnere sich an jenen Mann, der bis auf den heutigen Tag in aller Munde lebt, den größten, den Ägypten nach den Aposteln hervorgebracht hat, den gottseligen, großen Antonius, und bedenke, dass auch er in dem gleichen Lande gelebt hat wie Pharao. Und doch hat ihm dies nichts geschadet; vielmehr ward er sogar göttlicher Gesichte gewürdigt und hat ein solches Leben geführt, wie es die Gebote Christi erheischen. Hierüber kann S. 145sich jeder genau unterrichten, der das Buch zur Hand nimmt, das seine Lebensbeschreibung enthält auch kann er viele prophetischen Aussprüche darin finden. So hat er z.B. von den unseligen Anhängern des Arius vorhergesagt, welch ein Unheil durch sie entstehen werde; denn Gott hat es ihm damals gezeigt und ihm vor seinen Augen die ganze Zukunft enthüllt. So ist also neben anderen Dingen auch das ein ganz besonders deutlicher Erweis der Wahrheit, dass die von uns getrennten Häretiker nie einen solchen Mann aufzuweisen haben. Damit ihr dies aber nicht bloß aus unserem Munde zu erfahren braucht, leset selbst die betreffende Schrift; ihr werdet aus ihr alles genau erfahren, und viel geistigen Nutzen daraus schöpfen. Das wünsche ich aber, nicht damit ihr die Schrift bloß in die Hand nehmet, sondern damit ihr das dort gegebene Beispiel auch nachahmet, und nicht wieder die Verschiedenheit des Landes und der Erziehung, noch die8 Schlechtigkeit eurer Vorfahren als Ausrede gebraucht. Denn wenn uns an uns selber gelegen ist, so wird all dies kein Hindernis für uns bilden. Auch Abraham hatte ja einen gottlosen Vater; gleichwohl hat er dessen Schlechtigkeit nicht nachgeahmt. Ezechias stammte von Achaz, und doch stand er in Gnade bei Gott; Joseph wand sich den Lorbeerkranz der Keuschheit mitten im damaligen Ägypten ums Haupt; die drei Jünglinge zeigten, dass sie die Höhe der Vollkommenheit mitten in Babylon erreicht hatten, mitten in einem Palaste, in dem die Tafel der Üppigkeit stets gedeckt war; desgleichen taten Moses in Ägypten und Paulus in der weiten Welt; nichts konnte diese hindern in ihrem Tugendstreben. Das alles sollen also auch wir beherzigen, diese unnötigen Zweifel und Ausflüchte beiseite lassen, und die Mühen der Tugendübung auf uns nehmen. Auf diese Weise werden wir Gott zu größerem Wohlwollen bewegen und ihn veranlassen, an unseren Kämpfen teilzunehmen; und dann wird auch uns der ewige Lohn zuteil werden, den wir alle erlangen mögen durch die Gnade S. 146und die Liebe unseres Herrn Jesus Christus, dem Ehre und Macht gebührt in alle Ewigkeit. Amen!