Sechster Artikel. Ohne alle weitere Vermittlung ist die Seele mit dem Körper verbunden.
a) Es scheint, daß einzelne Eigenschaften des Körpers den Eintritt und die Verbindung der Seele mit demselben vermitteln und vorbereiten. Denn: I. Für jede Form muß der entsprechende Stoff eigens vorbereitet sein. Eine solche Vorbereitung aber hat statt vermittelst einiger Eigenschaften oder Zustände. Und sonach müssen vor dem Eintritte der Seele als der substantialen Form als im Stoffe vorhanden gedacht werden einige vorbereitende Eigenschaften. II. Verschiedene Formen ein und derselben Gattung verlangen verschiedene Teile des Stoffes. Verschiedene Teile aber setzen voraus, daß ein Umfang vorhanden sei. Also muß, ehe die Seele als substantiale Form im Körper gedacht werden kann, zuerst der Körper als eines gewissen Umfanges teilhaftig und deshalb für die Bethätigung durch die Wesensform befähigt gedacht werden. III. Das Geistige hat Berührung mit dem Körper vermöge seiner einwirkenden Kraft. Die Kraft der Seele aber ist ihr Vermögen. Also hat die Seele Berührung mit dem Körper und gebraucht selben vermittelst ihres Vermögens, also vermittelst einer Eigenschaft oder eines Zustandes. Auf der anderen Seite besteht jede solche Eigenschaft erst auf Grund der Substanz und setzt diese sowohl der Zeit wie der vernünftigen Auffassung nach voraus; wie es in 7 Metaph. heißt. Also kann nicht eine Eigenschaft als im Stoffe vorherbestehend gedacht werden, ehe die Seele als substantiale Form da ist.
b) Ich antworte: Wäre die Seele nur Beweger des Körpers, so dürfte dem nichts entgegenstehen; vielmehr würde es notwendig sein anzunehmen, daß einzelne Eigenschaften zwischen Leib und Seele vermitteln; von seiten der Seele nämlich das Vermögen, den Körper zu bewegen, von seiten des Körpers die Beweglichkeit. Da aber die vernünftige Seele die substantiale Form des Körpers ist, so kann da von irgend welcher Vermittlung zwischen Leib und Seele nicht die Rede sein; wie überhaupt bei keiner Form und bei keinem Stoffe. Denn das, was von Thatsächlichem als zuerst im Stoffe vorhanden aufgefaßt wird, ist das Sein einfach als Sein genommen. Unmöglich nämlich ist ein Subjekt warm oder kalt, ehe es ist. Sein aber hat jegliches Ding eben erst durch seine substantiale Form. Also vor der Seele ist keinerlei vorbereitende Form oder Eigenschaft im Körper.
c) I. Ein und dieselbe Wesensform ist es im Menschen, durch welche er Sein hat, Körper ist, lebendig ist, sinnlich empfindet und vernünftig denkt. Es ist nun offenbar, daß einer jeden dieser verschiedenen Seinsarten ganz eigene und entsprechende Eigenschaften folgen. So wird der Stoff als vollendet dem Sein nach verstanden, ehe er als körperlich verstanden werden kann. Und demgemäß gehen die Eigenschaften, welche dem bloßen Sein entsprechen, dem Verständnisse nach vorher jenen, welche der Körperlichkeit folgen. Und so wird verstanden, daß im Stoffe entsprechende Eigenschaften der Form vorhergehen; nicht nämlich als ob dieselben vor der Wesensform dem thatsächlichen Sein nach vorhanden wären, sondern weil sie in den Wirkungen der einen einigen Wesensform sich in dieser Weise folgen. Insofern nämlich die Seele macht, daß der Stoff einfach ist, folgen dementsprechend die Eigenschaften des Seins; insofern die Seele macht, daß der Stoff Körper ist, folgen die Eigenschaften des Körpers; die Seele kann aber nicht machen, daß der Stoff Körper sei, ohne daß derselbe überhaupt und einfach Sein hat und daß so die dem Sein entsprechenden Eigenschaften denen des Körperlichen vorhergehen. II. Die Arten des Umfanges entsprechen der Körperlichkeit, welche dem Stoffe im allgemeinen zukommt. Also kann der Stoff, bereits als körperlich und unter einem gewissen Umfange gedacht, auch als verschieden in seinenTeilen aufgefaßt werden; und so als fähig, weitere Grade der Vollendung im Sein zu erhalten. Das ist aber immer ein und dieselbe Form dem Wesen nach, von welcher die verschiedenartige Vollkommenheit im Stoffe kommt; nur die Vernunft unterscheidet in diesen Vollkommenheiten, insofern sie einfach dem Sein entsprechen oder der Körperlichkeit etc. III. Als rein Beweger wird die geistige Substanz mit dem Körper verbunden vermittelst einer Kraft und eines Vermögens. Die vernünftige Seele aber ist mit dem Körper vereint als Wesensform, also vermittelst ihres Seins; wenn sie auch, einmal vereint, dann im einzelnen durch ihre Vermögen auf den Körper einwirkt.
