Einleitung.
Fast alle diese dem Papste Liberius unterschobenen Briefe sollen seinen angeblichen Fall documentiren, welcher darin bestanden hätte, daß er die Gemeinschaft mit Athanasius gänzlich gebrochen, Diesen excommunicirt, dafür mit den Arianern sich vereinigt, ferner das Nicänum völlig preisgegeben und eine arianische Glaubensformel unterschrieben habe. Wir fassen zunächst die ersten vier dieser pseudoliberianischen Schreiben in's Auge, weil sie aus einer Quelle stammen und jedenfalls einen Autor haben; diese vier Briefe nemlich sind in den Fragmenten des heil. Hilarius von Poitiers enthalten, der erste im 4., die drei anderen im 6. Fragmente, welche letzteren der Fragmentist mit den Worten einleitet: „Liberius habe all' seine frühere Trefflichkeit wieder zu nichte gemacht, indem er an die sündigen häretischen Arianer schrieb, welche gegen den heiligen Athanasius ein ungerechtes Urtheil gefällt haben.„ Weiter unterbricht er die fraglichen Briefe durch drei Exclamationen, worin er die sirmische Formel, die Liberius unter- S. 238 zeichnet haben soll, eine arianische Perfidie, den Liberius selbst einen Apostaten und Abtrünnigen nennt und ihm dreimaliges Anathema zuruft. Während der erste dieser Briefe schon von Baronius1als entschieden falsch anerkannt wurde, wurden die übrigen drei, weil man jenes dem heil. Hilarius zugeschriebene Fragment für echt hielt, gleichfalls für authentisch gehalten, auch von Coustant u. Mansi; auch Jaffé 2und selbst Maassen3 zählten sie den echten Briefen des Liberius zu; Hefele4 aber hat die Falschheit aller dieser Schreiben schlagend nachgewiesen und gezeigt, daß sie im anomäischen (streng arianischen) Interesse von einem des Latein unkundigen Gräculus verfaßt seien; schon Sozomenus (IV. 15.) berichtet ausdrücklich, die Anomäer in Asien hätten falsche Nachrichten über Liberius verbreitet, als ob er ihren Ansichten beigetreten wäre, die 2. sirmische Formel unterschrieben und die kirchliche Lehre verworfen hätte. Diese Briefe haben sämmtlich einen von der Schreibweise des Liberius abweichenden, ganz unbeholfenen Stil, verrathen eine große Gedankenarmuth ihres Compilators, entboten allerlei Ungereimtheiten und widersprechen vor Allem der beglaubigten Geschichte, welche bezeugt, daß 1) Liberius die Gemeinschaft mit Athanasius nie aufgegeben habe; daß 2) Liberius zur dritten sirmischen Synode (im J. 358) berufen wurde, auf welcher die semiarianische Richtung über die anomäische siegte, die zweite (anomäische) sirmische Formel verdrängt, übrigens aber kein neues Glaubensbekenntniß aufgestellt, sondern nur die älteren eusebianischen Glaubensdecrete, namentlich ein antiochenisches vom J. 341. erneuert und unterschrieben wurden und zwar auch von Liberius; 3) daß dieser damit zwar die Formel „wesensgleich“ aufgab, aber nicht weil er etwa von der Orthodoxie abge- S. 239 fallen wäre, sondern weil ihm glauben gemacht wurde, jene Formel sei der Deckmantel von Sabellianismus und Photinianismus; Dieß bewies er durch den seiner Unterschrift beigefügten Zusatz, man müsse bekennen, der Sohn sei in Allem, auch in dem Wesen, dem Vater ähnlich, sowie durch sein nachheriges Auftreten für die Orthodoxie; 4) daß er fortan mit jenen Bischöfen, welche mit ihm die dritte sirmische Formel unterschrieben hatten, Kirchengemeinschaft unterhielt.