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Das Hinabsteigen in das Wasser aber und das dreimalige Eintauchen des Menschen enthält ein anderes Geheimnis. ― Da der Menschgewordene unsere Erlösung nicht so fast durch seine Lehrunterweisung, sondern mehr durch das, was er tat, bewerkstelligen wollte, indem er freiwillig in das menschliche Leben eintrat, damit er mittels des Fleisches, das er angenommen und zur Göttlichkeit erhoben hatte, alles damit Verwandte und Gleichartige miterrette, so mußte er einen Weg ausfindig machen, um durch Handlungen eine gewisse Ähnlichkeit und Verwandtschaft zwischen Meister und Jünger herbeizuführen. Wir müssen daher untersuchen, welche Handlungen an dem Vorbild unseres Lebens sich finden, damit wir nach den Worten des Apostels (Hebr. 2, 10) auf den Urheber unseres Heiles sehend, unsere Nachfolgerschaft und Nachahmung einrichten können. Denn wie die Soldaten, welche zu gewandtem Waffengebrauch unterrichtet werden sollen, von den im Kriegshandwerk Erfahrenen durch das, was sie sehen, zu militärischen Übungen herangeführt werden, solche aber, welche das Vorgezeigte nicht nachahmen, niemals soldatische S. 70 Tüchtigkeit erlangen, ebenso müssen alle, welche den gleichen Eifer für das Gute haben, ihrem Meister, der sie zum Heile führen möchte, notwendig dadurch nachfolgen, daß sie ihn nachahmen und ebenfalls vollbringen, was er vor ihnen tat. Denn man kann nicht zum gleichen Ziele gelangen, wenn man nicht die gleichen Wege geht.
Wie nämlich selbst jene, welche für sich die Irrgänge der Labyrinthe nicht zu durchschreiten vermögen, sobald sie nur einen darin Bewanderten treffen und ihm auf den Fuß nachfolgen, gar schnell die vielfachen und trügerischen Windungen im Bauwerk sicher durchqueren können, während sie keinen Ausweg finden, wenn sie ihrem Führer nicht unmittelbar sich anschließen, so ― bedenke es wohl ― ist auch das Labyrinth dieses Lebens für unsere menschliche Natur undurchschreitbar, wenn wir nicht den nämlichen Weg einschlagen, durch den der Herr entrann, dem Zirkelkreis entkam, als er sich in demselben befand. Mit dem Labyrinth meine ich aber bildlich den Kerker des Todes, der keinen Ausgang hat und in dem das unglückliche Menschengeschlecht eingeschlossen war. Was sehen wir nun an dem Urheber unseres Heiles? Ein dreitägiges Verharren im Tode und seine darauffolgende Wiederbelebung. Darum war es notwendig, etwas zu erdenken, wodurch wir ihm in diesem Punkte ähnlich würden. Welches Mittel wurde nun erfunden, durch dessen Gebrauch wir dieses sein Erlebnis nachahmen können? Als der naturgemäße und passende Ort kommt für alles Tote zunächst die Erde in Betracht, in welche es gesenkt und verborgen wird; aber enge ist mit der Erde das Wasser verwandt, da sie beide allein unter den Elementen schwer sind und abwärts streben, ineinander verharren und sich miteinander verbinden. Da nun der Tod den Urheber unseres Lebens, wie es unserer Natur entsprach, unter die Erde führte, so gelangt die Nachahmung dieses Todes, die von unserer Seite erfolgt, in dem der Erde benachbarten Elemente, im Wasser, zum sinnbildlichen Ausdruck. Und wie jener vom Himmel herabgestiegene Mensch, nachdem er den Tod auf sich genommen, drei Tage unter der Erde sich befand und dann zum Leben zurückkehrte, so soll jeder, der auf Grund der menschlichen Natur mit ihm S. 71 verbunden ist, um den nämlichen Zweck, d. h. die gewünschte Belebung zu erreichen, statt mit Erde mit Wasser sich überschütten lassen und dreimal in das Element eintauchen, um dadurch die nach drei Tagen erfolgte Gnade der Wiederbelebung nachzuahmen.