43. Kap. Charakter und Häresie des Novatus.
Denn Novatus,1 ein Priester der römischen Kirche, hatte sich hochmütig gegen diese (Gefallenen) erhoben, gleich als bestünde für sie gar keine Hoffnung auf Rettung mehr, selbst dann nicht, wenn sie alles täten, was zu aufrichtiger Bekehrung und ehrlicher Buße notwendig ist. Er wurde dadurch zum Führer jener neuen Häretiker, welche sich in geistigem Hochmut die Reinen nannten. Daher versammelte sich in Rom eine mächtige Synode von sechzig Bischöfen und einer noch größeren Zahl von Priestern und Diakonen, und berieten sich in den Provinzen die Bischöfe der verschiedenen Gegenden in besonderen Versammlungen über das, was zu tun wäre. Sie faßten alle den Beschluß, Novatus mit denen, die sich mit ihm erhoben hatten, sowie die, welche seiner lieblosen und ganz unmenschlichen Anschauung beipflich- S. 312 ten wollten, aus der Kirche auszuschließen, dagegen die Brüder, welche ins Unglück gefallen waren, mit den Arzneimitteln der Buße zu heilen und zu pflegen. Auf uns sind gekommen Briefe des römischen Bischofs Kornelius an Fabius, den Bischof der Kirche in Antiochien, in welchen über die römische Synode und über die Beschlüsse der Christen in Italien, Afrika und den dortigen Ländern berichtet wird, ferner lateinisch verfaßte Briefe Cyprians2 und der mit ihm vereinten afrikanischen Bischöfe, aus welchen sich ergibt, daß auch sie damit einverstanden waren, daß man den Gefallenen zu Hilfe kommen und den Urheber der Häresie zugleich mit allen seinen Anhängern dem Rechte gemäß aus der katholischen Kirche ausschließen müsse. Diesen Briefen war noch beigefügt ein weiterer Brief des Kornelius über die Beschlüsse der Synode und noch ein Brief über das Tun und Treiben des Novatus. Es dürfte am Platze sein, einige Stellen aus dem letzteren Briefe anzuführen, damit die Leser unserer Schrift wissen, wie es um Novatus steht. Um Fabius über den Charakter des Novatus aufzuklären, schreibt Kornelius also: „Damit du wissest, daß dieser sonderbare Mann schon längst heimlich nach der bischöflichen Würde strebte, dieses sehnsüchtige Verlangen in sich verbergend, und daß er den Umstand, daß die Bekenner zunächst auf seiner Seite standen, für seine wahnsinnige Idee ausnützte, will ich dich darüber aufklären. Maximus, ein Priester unserer Kirche, und Urbanus, Männer, die schon zweimal infolge ihres Bekenntnisses herrlichsten Ruhm geerntet haben, ferner Sidomus und Celerinus, welcher alle möglichen Martern durch die Gnade Gottes sehr standhaft ertragen, durch die Kraft seines Glaubens die Schwäche des Fleisches überwunden und so den Widersacher kraftvoll besiegt hat, diese durchschauten ihn und erkannten seine Verschlagenheit und Falschheit, S. 313 seine Meineide und Lügen, seine Ungeselligkeit und seine Wolfsnatur und kehrten wieder zur heiligen Kirche zurück. In Gegenwart von zahlreichen Bischöfen und Priestern und einer großen Menge von Laien machten sie alle seine Einfälle und Bosheiten kund, die er seit langem still bei sich gehegt, und bereuten es schmerzlich, daß sie dem hinterlistigen und bösartigen Tiere gefolgt waren und sich für einige Zeit von der Kirche getrennt hatten.“ Bald darauf fährt Kornelius fort: „Lieber Bruder, wir haben beobachtet, wie in kurzer Zeit in ihm eine unbegreifliche Änderung und Wandlung vorgegangen ist. Dieser hochangesehene Mann, der durch furchtbare Eide sich verpfändet, daß er in keiner Weise nach der bischöflichen Würde strebe, trat plötzlich wie mit Zaubermacht als Bischof vor das Volk. Dieser Meister der Lehre, dieser Verteidiger der kirchlichen Wissenschaft3 versuchte die bischöfliche Würde, da sie ihm nicht von oben gegeben ward, heimlich und mit List an sich zu reißen. Er wählte hierfür zwei Freunde, die auf ihr Heil verzichtet hatten, und schickte sie in eine kleine und ganz unbedeutende Gegend Italiens, um von dort drei ungebildete und recht einfältige Bischöfe unter trügerischen Vorstellungen heranzulocken. Er versicherte und beteuerte, sie müßten eiligst nach Rom kommen, damit angeblich die und die Spaltung, die entstanden, durch ihre Vermittlung zugleich mit Hilfe der übrigen Bischöfe beseitigt würde. Nachdem sie gekommen, ließ er sie von bestochenen Gesinnungsgenossen einschließen und nötigte sie mit Gewalt — wie gesagt, waren die Männer zu einfältig gegenüber den Ränken und Streichen der Bösen — um die zehnte Stunde, da sie betrunken und besinnungslos waren, ihm durch scheinbare und nichtige S. 214 Handauflegung die bischöfliche Würde zu übertragen, die er nun, obwohl sie ihm nicht zu eigen ist, schlau und listig zu verteidigen sucht. Einer von jenen Männern kehrte bald darauf zur Kirche zurück, indem er unter Tränen seinen Fehltritt bekannte. Auf Bitten des ganzen anwesenden Volkes hin nahmen wir ihn als Laien in die kirchliche Gemeinschaft auf. Für die übrigen Bischöfe weihten wir Nachfolger und schickten sie an die Orte, wo jene gewesen waren.
Jener ‚Rächer des Evangeliums’ begriff also nicht, daß nur ein Bischof in der katholischen Kirche4 sein dürfe, in der es, wie er wohl wußte — denn wie sollte er es nicht wissen? —, 46 Priester, sieben Diakonen, sieben Subdiakonen, 42 Akolythen, 52 Exorzisten, Lektoren und Ostiarier und über 1500 Witwen und Hilfsbedürftige gibt, welche alle die Gnade und Güte des Herrn ernährt. Nicht einmal eine so große und in der Kirche so notwendige Menge — eine durch die Vorsehung Gottes reiche und wachsende Zahl — nebst dem sehr großen und unzählbaren Volke vermochten ihn von diesem verzweifelten und verbotenen Beginnen abzubringen und zur Kirche zurückzurufen.“5 Diesen Worten fügt Kornelius noch das Folgende bei: „Wohlan, wir wollen nun auch noch erwähnen, welche Taten und welches Verhalten ihm den Mut gegeben haben, Anspruch auf die bischöfliche Würde zu erheben. Hat er ihn etwa erhoben, weil er von Anfang an zur Kirche gehörte und weil er für sie viele Kämpfe bestanden hatte und des Glaubens wegen vielen und großen Gefahren ausgesetzt war? O nein! Für ihn war Anlaß zum Glauben der Satan gewesen, welcher in ihn fuhr und lange Zeit in ihm S. 315 wohnte. Während die Exorzisten ihm zu Hilfe kamen, fiel er in eine schwere Krankheit und empfing, da man ihn dem Tode nahe glaubte, in eben dem Bette, worin er lag, durch Übergießung die Taufe, wenn anders man sagen darf, daß ein solcher sie empfangen habe. Nach seiner Wiedergenesung wurde er indes keineswegs der übrigen Dinge teilhaftig, welche man nach den Vorschriften der Kirche empfangen muß, nicht der Besiegelung durch den Bischof. Und da er dies nicht empfangen, wie hätte er den Heiligen Geist empfangen?“ Kurz darauf fährt Kornelius also fort: „Aus Feigheit und Lebensgier hat er zur Zeit der Verfolgung geleugnet, daß er Priester sei. Er war nämlich von den Diakonen dringlich gebeten worden, er möchte doch die Zelle, in welche er sich eingeschlossen, verlassen, um den Brüdern zu helfen, soweit es von einem Priester verlangt werde und er die Möglichkeit habe, notleidenden und hilfsbedürftigen Brüdern Hilfe zu bringen. Allein, statt der Aufforderung der Diakonen Folge zu leisten, ging er unwillig fort und ließ sie stehen. Er erklärte nämlich, er wolle nicht weiter Priester sein, denn er sei Anhänger einer anderen Philosophie.“6 Weiter unten fährt Kornelius also fort: „Dieser angesehene Mann verließ nämlich die Kirche Gottes, in der er nach Annahme des Glaubens durch die Gnade des Bischofs, der ihm die Hand zur Priesterweihe aufgelegt, Priester geworden war. Zwar hatten der ganze Klerus und auch viele Laien versucht, den Bischof daran zu hindern, da es nicht gestattet war, daß einer, der wie Novatus auf dem Krankenlager durch Übergießung getauft wurde, in den geistlichen Stand eintrete. Doch bat der Bischof, ihm zu genehmigen, daß er wenigstens diesen einen weihe. „Sodann erwähnt Kornelius noch die schlimmste Torheit S. 316 des Novatus mit den Worten: „Wenn nämlich Novatus nach Darbringung der Opfergaben jedem das Seinige zuweist und darreicht, zwingt er die armen Menschen, statt sie zu segnen, zum Schwören; er hält mit beiden Händen die Hände des Kommunizierenden fest und läßt sie erst nach folgendem Schwure los, den ich wörtlich anführen will: ‚Schwöre mir beim Blute und Leibe unseres Herrn Jesus Christus, daß du mich nie verlassen und nie zu Kornelius übergehen werdest!’ Der Unglückliche kostet so nicht eher das heilige Mahl, als bis er sich selbst verflucht hat. Statt beim Empfang des Brotes Amen zu sagen, erklärt er: ‚Ich werde nicht zu Kornelius zurückkehren.’“ Und weiter unten sagt er wiederum folgendes: „Wisse, daß Novatus bereits verlassen ist und allein steht, da sich Tag für Tag Brüder von ihm abwenden und zur Kirche zurückkehren! Auch der selige Märtyrer Moses, der erst vor kurzem bei uns einen schönen und bewundernswerten Martertod erlitten, hat, da er noch auf Erden weilte, die Dreistigkeit und Torheit desselben durchschaut und daher die Gemeinschaft mit ihm und den fünf Priestern, welche sich zugleich mit ihm von der Kirche getrennt hatten, aufgegeben.“ Am Schlusse seines Briefes gibt Kornelius ein Verzeichnis der Bischöfe, welche nach Rom gekommen waren und die Torheit des Novatus verurteilt hatten. Er vermeldet darin ihre Namen und welcher Gemeinde ein jeder vorstand. Von jenen, welche nicht in Rom erschienen sind, aber schriftlich dem Urteile der oben genannten Bischöfe zugestimmt haben, erwähnt er sowohl die Namen als auch die Städte, aus denen ein jeder geschrieben. Das hat Kornelius brieflich an Fabius, den Bischof von Antiochien, berichtet.
Die lateinischen Schriftsteller gebrauchen in der Regel die Namensform: Novatianus. ↩
Vgl. Brief 57 in der Cyprianausgabe von W. Hartel (Corpus Script, eccl. lat. III 3. Wien 1871). ↩
Von den zahlreichen Schriften des Novatus sind noch erhalten: De trinitate und De cibis judaicis. Auch zwei Schreiben, welche der römische Klerus nach dem Tode Fabians an Cyprian von Carthago richtete, nämlich die Nummern 30 und 36 der Briefsammlung Cyprians, stammen aus der Feder des Novatus. ↩
d. i. in der römischen Kirche. ↩
Auf Grund dieser Zahlen wird geschlossen, daß die Christengemeinde in Rom damals bereits etwa 50 000 Seelen zählte. — Vgl. v. Harnack, „Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten“ II4 (Leipzig 1924) 860 ff. ↩
Novatus war Asket und hatte wohl die Pflichten eines Asketen über die des Priesters gestellt, so daß er sich weigerte, auf Wunsch der erwähnten Diakonen seine Wohnung zu verlassen. ↩
