3.
Ja, sagst du, jene waren eben Apostel. Und was verschlägt das? Haben sie dir nicht vom gleichen Sauerteig mitgeteilt? Haben nicht auch sie in Städten gelebt? Waren sie nicht in derselben Lage wie du? Haben nicht auch sie Handwerke ausgeübt? Oder waren sie vielleicht Engel? Sind sie etwa vom Himmel herabgekommen? Dafür hatten sie die Gabe, Wunder zu wirken. Nein, nicht die Wunderzeichen machten sie S. d660 bewundernswert. Wie lange noch werden wir diese Wunder als Vorwand für unsere Trägheit gebrauchen? Sieh nur auf den Chor der Heiligen, die auch nicht durch jene Wunder glänzten! Viele haben ja schon Teufel ausgetrieben, fielen dann in Sünde, und fanden nicht Bewunderung, sondern Strafe. Aber was ist es dann, das sie1 groß erscheinen ließ, dass sie den Reichtum verachteten, Menschenruhm gering schätzten, sich von weltlichen Dingen fernhielten? Hätten sie diese Vorzüge nicht besessen, wären sie Sklaven der Leidenschaften gewesen, so hätten sie tausend Tote auferwecken können, es hätte ihnen nicht nur nichts genützt, man hätte sie sogar für Betrüger gehalten. Also das2 Leben ist es, das überallhin seinen Glanz verbreitet, das auch die Gnade des Heiligen Geistes auf sich zieht. Oder welches Wunder hat Johannes3 gewirkt, der so viele Städte4 gewann? Dass er nie ein Wunder wirkte, kannst du vom Evangelisten selber hören, der da sagt: „Johannes wirkte kein einziges Wunder“5 . Und was hat den Elias so berühmt gemacht? War es nicht der Freimut, mit dem er zum Könige sprach? Der Eifer, mit dem er die Sache Gottes verfocht? Seine Armut, sein Mantel, die Höhle und die Berge? Seine Wunder hat er ja alle erst nachher gewirkt. Und welche Wundertaten konnten den Teufel bei Job so in Staunen versetzen? Wundertaten keine, wohl aber sein hervorragendes Leben, und seine Geduld, die fester war als Diamant. Welches Wunder hat denn David in seiner Jugend gewirkt? So dass Gott sprach: „Ich erfand David den Sohn Jesses, als einen Mann nach meinem Herzen“6 . Und Abraham, Isaak, Jakob, welche Toten haben sie auferweckt, wen vom Aussatz gereinigt? Weißt du denn nicht, dass die Gabe der Wunder sogar großen Schaden bringt, wenn man dabei nicht rechtschaffen lebt? Aus diesem Grunde sind viele Korinther miteinander in Zwiespalt geraten7 , darum haben viele unter den römischen Christen sich S. d661 hochmütig gegen die anderen erhoben8 ; das hat den Simon9 zum Abfall gebracht, das hat den abgeschreckt, der seiner Zeit Christus nachfolgen wollte und zu dem der Herr sagte: „Die Füchse haben Höhlen, und die Vögel des Himmels Nester“10 . Beide von diesen sind abgefallen und zugrunde gegangen, der eine, weil er von den Wunderzeichen Geld, der andere, weil er von ihnen Ruhm erhoffte. Die Sorge um ein rechtschaffenes Leben und die Liebe zur Tugend lassen aber ein solches Verlangen nicht bloß nicht aufkommen, sondern nehmen es sogar weg, wo es schon ist. Und was sagte der Herr selbst, als er den Jüngern seine Satzungen gab? Tuet Wunderzeichen, damit die Menschen es sehen? Nein, durchaus nicht! Sondern was? „Euer Licht soll vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen, und euren Vater verherrlichen, der im Himmel ist“11 . Auch dem Petrus hat er nicht etwa gesagt: Wenn du mich liebst, so wirke Wunder, sondern: „Weide meine Schafe“12 . Auch sonst hat er ihn überall mit Jakobus und Johannes bevorzugt; und womit, sage mir, hat er ihn bevorzugt? Durch die Gabe der Wunder? Aber es haben ja alle Apostel gleichmäßig Aussätzige geheilt und Tote auferweckt; und allen hat er die gleiche Macht13 gegeben. Was hat also diesen dreien ihre Bevorzugung verschafft? Die Tugend der Seele. Siehst du also, dass es überall auf ein gutes Leben ankommt, und auf den Ausweis guter Werke? „Denn“, sagt der Herr, „an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“14 .