II.
„Ich halte es mit Paulus, ich mit Apollo, ich mit Kephas.“
Er nennt den Petrus zuletzt, zieht sich aber dadurch demselben nicht vor, sondern stellt sich ihm weit nach; denn er erweitert seine Rede, um den Schein zu vermeiden, als spräche er so aus Neid, und als wollte er Jenen1 aus Mißgunst die Ehre entziehen. Darum setzt er sich an den S. 40 ersten Platz. Denn wer sich zuerst in Schatten stellt, thut Das nicht aus Ehrgeiz, sondern weil er diese Ehre für ganz gering hält. Daher stellt er sich dem ersten Anprall entgegen, und dann erst nennt er den Apollo, und dann erst den Kephas. Er thut also Das nicht, um sich zu erheben, sondern rügt unter seinem eigenen Namen jene ungeziemende Sprache. Da sie offenbar fehlten, indem die Einen es mit Diesem, die Andern mit Jenem hielten, so weist er sie auf eine feine Art zurecht mit den Worten: Ihr thut nicht wohl, daß ihr sprechet: „Ich halte es mit Paulus, ich mit Apollo, ich mit Kephas.“ Warum fügt er aber bei: „Ich mit Christus?“ Wenn auch Diejenigen fehlten, die es mit Menschen hielten, so fehlten doch Jene nicht, die es mit Christus hielten. Allein nicht Das tadelt er an ihnen, daß sie es mit Christus hielten, sondern Das, daß nicht Alle Dieses thaten. Ich bin der Meinung, er habe diese Worte aus sich hinzugefügt, um die Rüge zu verschärfen und zu zeigen, daß auch Christus seinen Antheil habe, obschon Jene ihm keinen Antheil gaben. Daß er darauf, hingedeutet habe, geht aus den folgenden Worten hervor:
13. Ist denn Christus getheilt?
Er will sagen: Ihr habt Christum zerstückelt und seinen Leib zertheilt. Siehst du da den Muth, du siehst die Rüge, siehst du den Unwillen, der aus seiner Rede quillt? Denn da er nicht beweist, sondern nur fragt, gibt er zu erkennen, daß die Ungereimtheit ihrer Rede einleuchtend sei. Einige sind der Ansicht, er habe durch die Worte: „Ist denn Christus getheilt?“ etwas Anderes andeuten wollen, nämlich: Christus hat sich unter die Menschen vertheilt, die Klrche zerstückelt, einen Theil sich vorbehalten, den andern ihnen überlassen. Darauf zeigt er, wie ungereimt Dieses sei, indem er sagt: „Ist denn Paulus für euch gekreuzigt worden, oder seid ihr auf den Namen Pauli getauft worden?“ Siehe da eine Seele, die S. 41 von der Liebe zu Christus entflammt ist! Alles führt er aus unter seinem Namen und beweist vollgiltig, daß Niemandem ausser ihm diese Ehre zukomme. Und damit es nicht scheine, als rede er so aus Neid, nennt er immer nur sich selber. — Betrachte aber auch seine Klugheit! — Er sagt nicht: Hat denn Paulus die Welt erschaffen? Hat denn Paulus euch aus dem Nichts in’s Dasein gerufen? sondern erwähnt jene Dinge, die der Schatz der Gläubigen und Beweis der großen Fürsorge Gottes sind: das Kreuz und die Taufe und jene Güter, die daraus entspringen. Wohl ist schon die Weltschöpfung ein Beweis der Menschenfreundlichkeit Gottes, vorzugsweise aber ist Dieß seine Erniedrigung bis zum Kreuze. Der Apostel sagt nicht: Ist denn Paulus für euch gestorben? sondern: gekreuzigt worden, und zeigt so auch die Todesart an. „Oder seid ihr auf den Namen Pauli getauft worden?“ Er sagt nicht: Hat euch denn Paulus getauft? Denn er hatte wirklich Viele getauft; allein es fragte sich nicht darum, von wem, sondern auf wessen Namen sie getauft worden seien. Weil aber auch Das eine Ursache der Spaltungen war, daß sie sich nach Denjenigen nannten, von denen sie getauft worden waren; so rügt er auch Dieses durch die Frage: „Oder seid ihr auf den Namen Pauli getauft worden?“ Sage mir nicht, wer dich getauft habe, sondern auf wessen Namen es geschah; es fragt sich nämlich hier nicht um Den, der da tauft, sondern um Den, dessen Namen bei der Taufe angerufen wird; denn Dieser läßt die Sünden nach. Da bleibt er nun stehen und verfolgt den Gegenstand nicht weiter. Er sagt nämlich nicht: Hat euch denn Paulus die zukünftigen Güter verheissen? Hat euch denn Paulus das Himmelreich versprochen? Warum fügt er denn Das nicht bei? Weil es nicht einerlei ist, das Himmelreich verheissen und sich kreuzigen lassen. Jenes war nämlich mit keiner Gefahr verbunden und brachte keine Schmach, Dieses aber führte Beides mit sich. Anderswo bestätigt er das Eine durch das Andere; denn nachdem er gesagt:2 „Er, der S. 42 seines eigenen Sohnes nicht geschont,“ fügt er bei: „Wie? sollte er uns mit ihm nicht Alles schenken?“ Und abermals:3 „Denn wenn wir, da wir noch Feinde waren, mit Gott durch den Tod seines Sohnes versöhnt wurden, um so mehr werden wir jetzt als Versöhnte Beseligung erlangen.“ Darum setzt er Dieses nicht bei; auch hatten sie die verheissenen Güter noch nicht erlangt, diese aber schon aus Erfahrung kennen gelernt: die einen waren nur verheissen, die andern aber schon in Erfüllung gegangen.
14. Ich danke Gott, daß ich Keinen von euch ausser Crispus und Cajus getauft habe.
Was rühmt Ihr euch denn wegen des Taufens, da ich danke, Das nicht gethan zu haben? Durch diese Worte beseitigt er auf kluge Weise ihren Stolz, den sie darein setzten, hebt aber nicht die Kraft der Taufe auf; Das sei ferne! Nur den Übermuth Derjenigen greift er an, die sich auf das Taufen viel einbildeten, indem er vorerst zeigt, daß dieselbe nicht Ihr Geschenk sei, und dann auch, indem er Gott dankt. Die Taufe ist zwar etwas Großes, aber nicht, der da tauft, macht sie groß, sondern der, dessen Namen bei der Taufe angerufen wird. Taufen ist Nichts, wenn man dabei nur auf die menschliche Thätigkeit sieht: ja es ist noch viel weniger, als das Evangelium predigen. Die Taufe ist etwas Großes, ich wiederhole es, und ohne Taufe können wir das Himmelreich nicht erlangen; allein dieselbe ertheilen kann auch ein minder ausgezeichneter Mann, während die Verkündigung des Evangeliums große Mühe kostet.
