30. Die Synode in Tyrus (335) und die Umtriebe gegen den seligen Athanasius mit der berüchtigten Hand des Arsenius
Ein gewisser Arsenius war Bischof der Partei des Melitius. Diesen hatten seine Parteigenossen versteckt und gebeten, sich so viel wie möglich verborgen zu halten. Dann schnitten sie irgendeinem Leichnam die rechte Hand ab, balsamierten sie ein, legten sie in ein hölzernes Kästchen, trugen sie überall herum, behaupteten, Arsenius sei umgebracht worden, und bezeichneten als Mörder den Athanasius. Aber das allsehende Auge Gottes ließ den Arsenius nicht allzu lange verborgen bleiben. Es wurde vielmehr zuerst in Ägypten und der Thebais ruchbar, daß er noch lebe; sodann führte ihn die göttliche Vorsehung nach Tyrus, wo jene zu einem so traurigen Spiel mißbrauchte Hand den Richtern vorgelegt wurde. Die Freunde des Athanasius S. 85 hatten ihn nämlich entdeckt und mitgenommen und nötigten ihn, sich einstweilen in der Herberge verborgen zu halten. Der große Athanasius aber begab sich früh morgens in die Versammlung. Zuerst nun führte man ein Weibsbild herein, das bisher ein zügelloses Leben geführt hatte. Diese erklärte bestimmt und ohne Scham und Scheu, sie habe Jungfräulichkeit gelobt, Athanasius aber, der ihre Gastfreundschaft genossen, habe ihr Gewalt angetan und sie gegen ihren Willen entehrt. Nach dieser ihrer Aussage trat der Beschuldigte ein und zugleich mit ihm ein Priester von lobenswürdigem Lebenswandel mit Namen Timotheus. Als nun die Richter den Athanasius aufforderten, sich gegen die Anklage zu verteidigen, da schwieg dieser still, gleich als wäre er nicht Athanasius. Timotheus dagegen fragte das Weib: „Ich soll mit dir, o Weib, jemals zusammengetroffen, soll in dein Haus gekommen sein?“ Da wurde diese in ihrer Erwiderung noch unverschämter, fing mit Timotheus zu streiten an, streckte ihre Hand aus, zeigte mit dem Finger auf ihn und rief: „Ja, du hast mir meine Jungfräulichkeit geraubt, du hast mir meine Unschuld genommen!“ und anderes, was Frauenspersonen zu sagen pflegen, welche infolge eines maßlos zügellosen Lebens alles Schamgefühl verloren haben. Da nun auf solche Weise die Urheber des ruchlosen Planes zu Schanden geworden waren und auch von den Richtern diejenigen, die Mitwisser waren, erröten mußten, wurde das Weib wieder hinausgeführt. Da verlangte aber der große Athanasius, man solle die Frau nicht entlassen, sondern ins Verhör nehmen und erforschen, wer das angestiftet habe. Jene aber entgegneten, es lägen auch noch andere Anschuldigungen vor, die noch gewichtiger wären und keineswegs durch List und Geschicklichkeit entkräftet werden könnten. Denn das Auge, nicht das Ohr werde entscheiden über das, was gezeigt werden wird. Nach diesen Worten zeigten sie das vielbesprochene Kistchen vor und enthüllten die einbalsamierte Hand. Bei ihrem Anblick schrien alle laut auf; die einen, weil sie die behauptete Greueltat für wahr hielten, die anderen, weil sie zwar um den Betrug wußten, aber der Meinung waren, Arsenius sei noch verborgen.
S. 86 Als endlich für kurze Zeit Ruhe eintrat, da fragte der Angeklagte die Richter, ob einer unter ihnen sei, der den Arsenius kenne. Da nun viele erklärten, sie kennten den Mann ganz genau, befahl er, denselben hereinzuführen. Und wiederum fragte er, ob dies jener Arsenius sei, der „von mir getötet worden ist, von ihnen aber gesucht wird, und der nach seiner Ermordung noch mißhandelt und der rechten Hand beraubt worden ist“. Als sie einstimmig bekannten, daß er es sei, da schlug Athanasius dessen Mantel zurück, zeigte die beiden Hände desselben, die rechte und die linke, und sprach: „Eine andere Hand möge niemand suchen! Denn jeder Mensch hat von dem Schöpfer der Welt nur zwei Hände empfangen.“ Aber trotzdem daß auf solche Weise auch diese Hinterlist aufgedeckt war, so daß die Ankläger und von den Richtern die mitwissenden nötig gehabt hätten, sich zu verbergen und zu wünschen, daß die Erde sich vor ihnen auftue, so erfüllten sie doch den Saal mit Geschrei und Tumult und nannten Athanasius einen Zauberer, der mit gewissen Blendwerken die Augen der Menschen zu täuschen verstehe. Und schon schickten sie sich an, ihn zu zerreißen und hinzuschlachten, sie, die doch unmittelbar vorher ihn des Mordes angeklagt hatten. Aber die vom Kaiser mit der Aufrechterhaltung der Ordnung betrauten Beamten verhinderten die Ermordung. Sie entrissen den siegreichen Kämpfer ihren Händen, brachten ihn auf ein Schiff und bewirkten so seine Rettung.
Dieser begab sich darauf zum Kaiser und berichtete ihm über das ganze traurige und verwegene Spiel, das man mit ihm getrieben hatte. Jene dagegen entsandten von ihren Gesinnungsgenossen einige Bischöfe in die Mareotis, nämlich den Theogonius von Nizäa, Theodor von Perinth, Maris von Chalzedon, den Zilizier Narzissus und diejenigen, die mit diesen gleicher Gesinnung waren. Die Mareotis ist ein Teil von Alexandrien, so genannt von dem See Maria. An diesem Orte woben sie ihr Lügengewebe, fertigten einige Schriftstücke, stellten ihre bloßgelegten Verleumdungen als wahrheitsgemäße Anklagen hin und sandten sie dem Kaiser. Sie selbst begaben sich nach Aelia.