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Himmlische Hierarchie (Edith Stein)
§ 3.
Wollte aber jemand sagen, gewissen Heiligen sei unmittelbar Gott selbst erschienen, so möge er lernen, was aus der Heiligen Schrift klar hervorgeht, daß Gottes verborgenes Wesen niemand gesehen hat noch sehen wird; vielmehr ist Gott den Heiligen erschienen, indem Er sich, wie es Ihm geziemte, durch heilige und den Schauenden angemessene Gesichte zeigte.
Diese Gesichte, die Gestaltlosem Gestalt verleihen, nennt die Theologie Theophanie oder Gotteserscheinung, weil sie den Schauenden göttliche Erleuchtung eingießt und sie auf heilige Weise über Göttliches belehrt. Durch solche heiligen Gesichte wurden unsere ruhmreichen Väter durch den Dienst der Engel eingeweiht.
Lehrt nicht auch die Heilige Schrift, daß Moses jene heilige Sendung von Gott selbst übertragen wurde, um uns zu belehren, daß es die Niederschrift eines göttlichen und hochheiligen Gesetzes sei? Und doch lehrt uns die Theologie voll Weisheit, daß es uns durch Engel zugeflossen sei, als hätte die Ordnung des göttlichen Gesetzes es so bestimmt, daß das Niedere durch Höheres zur Gottheit geführt werde. Denn nicht nur für die höheren und niederen Geister, sondern auch für gleichgestellte ist durch die überwesentliche, ursprüngliche Ordnung aller Dinge jenes Gesetz aufgestellt worden, daß es in den einzelnen Hierarchien erste, mittlere und letzte Reihen und Kräfte geben sollte und daß für die niederen göttlichere Lehrer und Führer sein sollten, damit sie Gott nahen, erleuchtet werden und zur Vereinigung gelangen könnten.
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Himmlische Hierarchie (BKV)
§ 3.
1) Gott selbst ist nach seinem verborgenen Wesen nie einem Menschen erschienen, er hat sich aber manchen Heiligen in Visionen geoffenbart. Die heilige Schrift nennt solche Gesichte „Theophanien“. 2) Unsere heiligen Väter wurden durch die Engel solcher Erscheinungen Gottes gewürdigt, so z. B. wurde Moses das Gesetz geoffenbart. 3) Derselbe Umstand, daß durch Engel das Gesetz vermittelt wurde, belehrt uns auch über die allgemeine Grundregel, daß die Mitglieder der tiefern Ordnung vermittels der höhern zu Gott emporgeführt werden, ja daß auch innerhalb ein und derselben Ord- S. 27 nung sich wieder erste, mittlere und letzte Kategorien nach derselben Funktion unterscheiden.
Wenn aber jemand meinen sollte, es seien manchen heiligen Männern auch unmittelbar Erscheinungen Gottes an sich geworden, so möge er deutlich aus den heiligen Schriften erkennen, daß niemand das verborgene eigentliche Wesen Gottes gesehen hat 1, noch je sehen wird. Aber in den Gottes würdigen Offenbarungen sind vermittels heiliger, den Schauenden entsprechender Visionen den Heiligen Theophanien gewährt worden 2. Die ganz weise Gotteswissenschaft („θεολογία“) nennt die so beschaffene Vision, welche die Züge des göttlichen Bildes, insofern Gestaltloses durch Gestaltetes wiederzugeben ist, in sich aufzeigte, auf Grund anagogischen Aufschwunges des Schauenden zum Göttlichen mit Recht „Gotteserscheinung“ (θεοφάνεια) 3. Wird ja durch sie den Schauenden eine göttliche Erleuchtung eingestrahlt und die heilige Einführung in irgend ein Geheimnis des Göttlichen vermittelt. Unsere großen Vorväter wurden durch das Dazwischentreten der himmlischen Mächte in diese göttlichen Visionen eingeweiht. Oder sagt nicht die Überlieferung der heiligen Schrift, daß die heilige Gesetzgebung von Gott auf eben diesem Wege dem Moses verliehen worden ist 4, um uns wahrheitsgetreu darüber geheimnisvoll zu unterrichten, daß jenes Gesetz (vom Sinai) ein Ausdruck des göttlichen und heiligen Gesetzes sei. Aber weise lehrt die Offenbarung Gottes, nach welcher jenes Gesetz durch Engel zu uns gekommen ist, auch dies, daß infolge der durch die göttliche Gesetzgebung festbestimmten Ordnung die Glieder der zweiten Ordnung durch die der ersten S. 28 Ordnung zum Göttlichen emporgeführt werden 5. Denn nicht bloß bei den höherstehenden und tieferstehenden Geistern, sondern auch unter den gleichstufigen ist von dem überwesentlichen Prinzip aller Rangordnungen diese Satzung bestimmt, daß es in jeder Hierarchie erste, mittlere und letzte Ordnungen und Mächte gebe und daß die göttlicheren den geringeren als Mystagogen und Führer zur Nähe, zur Erleuchtung und Gemeinschaft Gottes dienen.
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1. Joann. 4, 12. ↩
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Genes. 3, 8; 18, 1. ↩
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Der Terminus θεοφάνεια kommt in der heil. Schrift nicht vor; deshalb kann θεολογία hier nicht „Offenbarung“ bedeuten, uebrigens brauchen die Väter das Wort θεοφάνεια auch von der Incarnation, Geburt und Taufe Christi. ↩
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Die angezogene Schriftstelle Gal. 3, 19 (Act 7, 58) διαταγεὶς δι’αγγέλων (νόμος) ἐν χειρὶ μεσίτου findet hier eine Verwendung, die man in dieser Form bei den Vätern vergeblich suchen wird. ↩
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Exod. 31, 18; 34, 1ff. ↩