5. Kap. Warnung vor Rückfall in die Sünde nach der Bekehrung und Annahme des Christentums.
Ich behaupte nämlich, daß die Bekehrung1, wenn sie uns einmal durch die Gnade Gottes gewiesen und angezeigt ist, uns zum Herrn in seine Gnade ruft, wenn sie aber einmal erkannt und übernommen ist, nachher niemals mehr durch Rückfall in die Sünde gebrochen werden darf. Eine Entschuldigung mit Unwissenheit kommt dir nun schon nicht mehr zustatten, weil du den Herrn erkannt, seine Gebote angenommen, Buße für deine Sünden getan hast und dich dennoch aufs neue der Sünde hingibst. Je weiter du also von der Unwissenheit entfernt bist, desto mehr näherst du dich dem verstockten Trotz, Wenn der Umstand, daß du angefangen hattest, den Herrn zu fürchten, die Ursache deiner Bekehrung von der Sünde war, warum hast du nun vorgezogen, das, was du aus Furcht getan, wieder rückgängig zu machen und zu widerrufen? Doch nur aus dem Grunde, weil deine Gottesfurcht zu Ende war. Denn die Furcht wird durch nichts verdrängt als durch den Trotz, Wenn nun keine Rechtseinrede sogar die Unwissenden vor der Strafe zu schützen vermag, weil man Gott, der klar vor uns steht und aus seinen himmlischen Gaben selbst erkennbar ist, nicht ignorieren darf, um wieviel gefährlicher ist es, Gott, wenn man ihn erkannt hat, zu verachten! Es verachtet ihn aber, wer, nachdem er durch ihn die Erkenntnis von gut und böse erlangt hat, wieder nach dem greift, was er als vermeidenswert erkannt und auch wirklich schon vermieden hat, und so seiner bessern Erkenntnis, d. h. einer Gabe Gottes, Schmach zufügt. Er verschmäht den Geber, indem er die Gabe im Stiche läßt; er leugnet den Wohltäter, indem er die Wohltat nicht in Ehren hält. Wie könnte er noch dem gefallen, dessen Geschenk ihm mißfällt? So S. 233erscheint er dem Herrn gegenüber nicht bloß als ein Verstockter, sondern sogar als ein Undankbarer.
Weiterhin sündigt nicht wenig gegen den Herrn, wer, nachdem er dessen Gegner, dem Teufel, durch die Buße widersagt und damit dem Herrn den Vorzug vor ihm gegeben hat, dann wiederum jenen emporhebt und sich zu einem Gegenstand der Freude für ihn macht, so daß der böse Feind sich gegen den Herrn rühmen kann, ihm eine Beute abgenommen zu haben. Es ist zwar gefährlich, es auszusprechen, aber ich muß es zur Auferbauung doch sagen, - er stellt den Teufel über Gott. Denn bei jemand, der beide kennen gelernt hat, scheint es, als habe er eine Vergleichung zwischen ihnen aufgestellt und als Urteil verkündet, der sei vorzüglicher, dem er hinterher doch lieber wieder angehören will. Wer durch Reue über seine Sünden begonnen hat, Gott genug zu tun, der würde durch eine andere Art Reue, eine Reue über seine Reue, nun dem Teufel Genugtuung leisten und Gott um so mehr zuwider sein, eine je angenehmere Person er dem Teufel geworden ist.
Gewisse Leute behaupten jedoch, es genüge Gott, wenn er im Herzen und im Geiste hochgehalten wird, wenn es gleich in den Handlungen weniger geschähe, und wenn Gottesfurcht und Glaube durch die Sünde nicht verletzt würden. Das würde soviel heißen, als ohne Verletzung der Keuschheit Ehebrüche begehen, ohne Verletzung der kindlichen Liebe seinem Vater Gift mischen. Wie solche ohne Verletzung der Gottesfurcht sündigen, werden sie auch ohne Verletzung der Barmherzigkeit in die Hölle gestoßen werden. Es ist der erste und größte Beweis der Verkehrtheit, daß sie sündigen, obwohl sie doch fürchten. Es will mir fast scheinen, sie würden gar nicht gesündigt haben, wenn sie keine Gottesfurcht gehabt hätten. Mithin, wer Gott nicht beleidigen will, der möge ihn auch gar nicht fürchten - wenn nämlich die Furcht ein Deckmantel gegen das Beleidigen ist. Aber Scherz beiseite! Diese klugen Leute gehen gewöhnlich aus der Sippe der Heuchler hervor; ihre Freundschaft mit dem Teufel ist eine unzertrennliche, ihre Bekehrung niemals zuverlässig.
Poenitentia ist hier so viel als Bekehrung der Heiden zum christlichen Leben, christliches Bußleben im allgemeinen. ↩
