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Œuvres Augustin d'Hippone (354-430) Enchiridion ad Laurentiom, seu de fide, spe et caritate Enchiridion oder Buch vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe (BKV)
30. Kapitel: Von der christlichen Hoffnung. ― Das Vaterunser

115.

Beim Evangelisten Matthäus nun umfaßt, wie wir sehen, das Gebet des Herrn sieben Bitten, von denen drei um etwas Ewiges, die anderen vier aber um etwas Zeitliches, zur Erreichung des Ewigen aber immerhin auch Notwendiges flehen. Denn wenn wir sprechen: „Geheiliget werde dein Name, zu uns komme dein Reich, dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden1“ ― letzteres haben einige gar nicht unpassend mit Geist und Leib erklärt ―, so gilt das für alle Zeiten; und zwar nimmt es hier auf Erden seinen Anfang, wächst je nach unserem inneren Fortschritt und geht dann in seiner Vollendung, wie wir im anderen Leben erwarten dürfen, in unsern dauernden Besitz über. Wenn wir aber sprechen: „Gib uns heute unser tägliches Brot und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel2“, wer sähe da nicht ein, daß sich dies auf die Armseligkeit dieses gegenwärtigen Lebens bezieht? In jenem ewigen Leben, wo wir einstens immer zu sein hoffen, wird also die Heiligung des Namens Gottes, sein Reich und sein Wille in unserem Geist und in unserem Leib vollkommen und ohne Ende fortbestehen. Von dem täglichen Brot ist aber (im Vaterunser) deshalb die Rede, weil es hienieden für Seele und Leib notwendig ist, mag man es nun geistig oder leiblich oder aber auch gleich in dem doppelten Sinn verstehen. Um hienieden handelt es sich auch, wenn wir um Sündenvergebung flehen; denn hienieden werden die Sünden ja auch begangen. Um hienieden handelt es sich sodann auch bei den Versuchungen, die uns zur Sünde reizen und drängen; um hienieden schließlich auch bei dem Übel, von dem wir frei zu werden wünschen: dort oben (im Himmel) aber gibt es keine von diesen Bedrängnissen.


  1. Matth. 6, 9. ↩

  2. Ebd. [Matth.] 6, 11 ff. ↩

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