8. Kapitel. Alle substanziellen Aussagen über Gott gelten von jeder einzelnen Person und zugleich von der ganzen Dreieinigkeit in der Einzahl. In Gott ist ein Wesen und sind, wie die Griechen sagen, drei Hypostasen oder, wie die Lateiner sagen, drei Personen.
S. 199 9. Wollen wir also vor allem daran festhalten, daß alle Aussagen, die von der herrlichen, göttlichen Erhabenheit in bezug auf sie selbst gemacht werden, die Substanz betreffen, alle Aussagen hingegen, welche in bezug auf etwas gemacht werden, nicht die Substanz, sondern die Beziehung betreffen, und daß die Kraft der gleichen Substanz im Vater, Sohne und Heiligen Geiste so groß ist, daß alles, was von den einzelnen Personen in bezug auf sie selbst ausgesagt wird, von ihnen zusammen nicht in der Mehrzahl, sondern nur in der Einzahl ausgesagt werden darf. Wie nämlich der Vater Gott ist, der Sohn Gott ist, der Heilige Geist Gott ist, so — niemand zweifelt daran, daß es sich hier um Aussagen hinsichtlich der Substanz handelt —, so heißen wir diese erhabene Dreieinigkeit doch nicht drei Götter, sondern nur einen Gott. Ebenso ist der Vater groß, der Sohn groß und der Heilige Geist groß, doch sind es nicht drei Große, sondern es ist nur ein Großer. Denn nicht vom Vater allein, wie die Häretiker in ihrer verkehrten Denkweise glauben, sondern vom Vater, Sohne und Heiligen Geiste gilt das Schriftwort: „Du allein bist groß, o Gott.“1 Ferner ist der Vater gut, ist der Sohn gut, ist der Heilige Geist gut, und doch sind nicht drei Gute, sondern ein Guter, von dem es heißt: „Niemand ist gut als Gott allein.“2 Denn der Herr Jesus, der von jenem, der zu ihm sagte: „Guter Meister“,3 wie man einen Menschen anredet, nicht nur nach seiner menschlichen Seite erfaßt werden wollte, sagte nicht: Niemand S. 200 ist gut als der Vater allein, sondern: „Niemand ist gut als Gott allein.“ Mit dem Worte Vater wird nämlich nur der Vater für sich gemeint; mit dem Worte Gott jedoch wird der Vater, der Sohn und der Heilige Geist gemeint, weil die Dreieinigkeit der eine Gott ist. Die Seinsweisen der Lage indes, des Habens, des Ortes, der Zeit werden von Gott nicht im eigentlichen, sondern im übertragenen und gleichnishaften Sinne ausgesagt. Es heißt ja von ihm auch, daß er über den Cherubim sitze.4 Das bezieht sich auf die Seinsweise der Lage. Ferner heißt es, daß er mit dem Abgrund wie mit einem Kleide angetan ist.5 Das bezieht sich auf die Seinsweise des Habens. Ferner: „Deine Jahre werden kein Ende nehmen.“6 Das bezieht sich auf die Seinsweise der Zeit. Ferner: „Wenn ich in den Himmel hinaufsteige, bist du da.“7 Das bezieht sich auf die Seinsweise des Ortes. Was die Seinsweise des Tuns betrifft, so kann das Tun vielleicht von Gott allein in seinem wahrsten Sinn ausgesagt werden. Er allein nämlich ist tätig, ohne daß an ihm etwas geschieht. Er ist in seiner Substanz, die sein Gottsein bedingt, nicht leidentlich. Daher ist allmächtig der Vater, allmächtig der Sohn, allmächtig der Heilige Geist, und doch sind es nicht drei Allmächtige, sondern ein Allmächtiger, aus dem und durch den und für den alles ist.8 Jede absolute Aussage von Gott gilt also auch von jeder einzelnen Person, das heißt vom Vater, Sohne und Heiligen Geiste, und wird doch von der ganzen Dreieinigkeit zugleich nicht in der Mehrzahl, sondern in der Einzahl gemacht. Für Gott ist ja nicht etwas anderes das Sein, etwas anderes das Großsein, vielmehr ist für ihn das Sein dasselbe wie das Großsein. Wie wir daher nicht von drei Wesen reden, so reden wir nicht von drei Größen, sondern von einem Wesen und von einer Größe. Wesen heiße ich dabei das, was man im S. 201 Griechischen mit οὐσία [ousia] ausdrückt. Dafür ist indes bei uns das Wort Substanz gebräuchlicher.
10. Die Griechen sprechen freilich auch von Hypostase. Doch weiß ich nicht, wie sie Usia und Hypostase unterscheiden wollen. Immerhin haben manche aus unseren Reihen, welche diese Fragen in griechischer Sprache behandeln, sich an die Ausdrucksweise gewöhnt: μία οὐσία, τρεῖς ὑποστάσεις [mia ousia, treis hypostaseis]. Lateinisch heißt das: Ein Wesen, drei Substanzen.