Zweiter Artikel Das Buch des Lebens betrifft bloß die zur ewigen Herrlichkeit Vorherbestimmten.
a) Dies scheint nicht der Fall zu sein. Denn: I. Das „Buch des Lebens“ ist die Kenntnis des Lebens. Gott aber erkennt vermittelst seines Lebens alles andere Leben. Das „Buch des Lebens“ wird demgemäß so genannt mit Rücksicht auf das göttliche Leben; und nicht bloß mit Rücksicht auf das Leben der Vorherbestimmten. II. Wie das Leben der Herrlichkeit von Gott herrührt, so auch das Leben der Natur. Wenn also die Kenntnis vom ersteren ein „Lebensbuch“ genannt wird, so müßte der Name auch für die Kenntnis des letzteren gelten. III. Manche werden auserlesen für das Leben der Gnade und nicht für das Leben der Herrlichkeit, wie aus Joh. 6, 71. hervorgeht: „Habe ich nicht zu zwölfen euch auserlesen und einer von euch ist ein Teufel?“ Aber das „Buch des Lebens“ ist das Einschreiben der Auserwählten Gottes. Also gilt der Name auch rücksichtlich des Lebens der Gnade. Auf der anderen Seite wird durch den Ausdruck „Buch des Lebens“ die Kenntnis der Vorherbestimmung angezeigt. Die Vorherbestimmung aber berücksichtigt das Gnadenleben nur, insoweit es zur Herrlichkeit führt; denn jene werden nicht als Vorherbestimmte bezeichnet, welche bloß die Gnade erhalten, der Herrlichkeit aber ermangeln. Also das Lebensbuch hat diesen Namen einzig und allein mit Rücksicht auf die Herrlichkeit.
b) Ich antworte, daß der Ausdruck „Buch des Lebens“ mit sich bringt ein gewisses Einschreiben oder die feste zuverlässige Kenntnis von jenen, die zum Leben auserwählt sind. Auserwählt aber wird jemand zu dem, was ihm den Verhältnissen, seiner Natur nach nicht zukommt; wie z. B, der Mensch dazu nicht auserwählt wird, daß er zwei Beine habe. Und wiederum hat das, wozu jemand auserwählt wird, immer den Charakter eines Endzweckes. Ein Soldat z. B. wird nicht dazu auserlesen, daß er Waffen trägt, sondern dazu, daß er kämpft: denn das ist der eigentliche Endzweck des Kriegsdienstes.. Der Zweck aber, welcher über die Verhältnisse, der Natur hinausgeht ist das Leben der Herrlichkeit. Sonach kann im eigentlichen Sinne das Buch des Lebens nur die Herrlichkeit berücksichtigen. I. Das glorreiche Leben ist für Gott Natur. Dafür also besteht keine Auserwählung und deshalb auch kein Lebensbuch. Denn wir sagen nicht, ein Mensch werde auserwählt, um fünf Sinne zu haben oder etwas Anderes, was aus der Natur bereits folgt. II. Das gilt auch für den zweiten Einwurf. Für das natürliche Lebem existiert keine Auserwählung. . III. Das Gnadenleben ist nicht Zweck, sonderst einfach Mittel zum Zweck. Dafür nun wird niemand auserwählt, außer insoweit die Gnade zur Erwerbung der Herrlichkeit dient. Jene also, die zur Gnade auserwählt werden und der Herrlichkeit ermangeln, sind nur insoweit im Buche des Lebens, als in ihnen eine Beziehung bestehen wird zum ewigen Leben gemäß der Teilnahme an der Gnade.
