• Accueil
  • Œuvres
  • Introduction Instructions Collaboration Sponsors / Collaborateurs Copyrights Contact Mentions légales
Bibliothek der Kirchenväter
Recherche
DE EN FR
Œuvres Augustin d'Hippone (354-430) Gott ist die Liebe. Die Predigten des Hl. Augustinus über den 1. Johannesbrief
ACHTE PREDIGT

Bruderliebe und Feindesliebe

S. 107Aber vielleicht beunruhigt es manche aus euch, warum Johannes so eindringlich nur die Bruderliebe empfiehlt. „Wer den Bruder liebt“, sagt er; und „Ein Gebot ist uns gegeben, daß wir einander lieben“ (3, 23). Beständig nennt er die Bruderliebe; die Gottesliebe schon, d. h. die Liebe, mit der wir Gott lieben müssen, nennt er nicht so beständig, wenn er auch nicht ganz darüber schweigt. Über die Feindesliebe aber schweigt er in dem ganzen Brief fast völlig. Obgleich er uns die Liebe eindringlich predigt und ans Herz legt, sagt er uns nicht, daß wir die Feinde lieben sollen, sondern immer nur, daß wir die Brüder lieben sollen. Soeben aber haben wir bei der Verlesung des Evangeliums gehört: „Wenn ihr die liebt, die euch lieben, welchen Lohn werdet ihr haben? Tun das nicht auch die Heiden?“ (Matth. 5, 46.) Wie also kommt es, daß der Apostel Johannes uns die vollkommene Bruderliebe als das große Ziel empfiehlt, der Herr aber sagt, daß es für uns nicht genügt, die Brüder zu lieben, sondern daß wir auch unsere Feinde in unsere Liebe einschließen müssen? Wer bis zur Feindesliebe geht, der übergeht die Bruderliebe nicht. Das ist notwendig so, wie das Feuer zuerst die nächstliegenden Dinge erfaßt und von da aus sich auf die entfernteren ausdehnt. Näher steht dir der Bruder als irgend ein Unbekannter. Wiederum steht dir der näher, den du nicht kennst, der dir jedoch nicht feindlich gegenübertritt, als der Feind, der sich dir entgegenstellt. Dehne deine Liebe auf die Nächststehenden aus, aber nenne das nicht eine wahre S. 108Ausdehnung der Liebe! Beinahe liebst du ja dich, wenn du die liebst, die dir anhangen. Dehne sie aus auf die Unbekannten, die dir nichts Böses getan haben! Geh auch noch darüber hinaus und komm dazu, die Feinde zu lieben! Das befiehlt der Herr ganz gewiß. Warum aber schwieg dann Johannes von der Feindesliebe? (Tr. 8. 4.)

Zu jeder Liebe, auch der fleischlichen, liebe Brüder, gehört wesentlich ein gewisses Wohlwollen gegen die, die geliebt werden. Denn nicht so dürfen wir die Menschen lieben, wie wir Feinschmecker sagen hören: ich liebe die Krammetsvögel. Du fragst: Wozu (liebt er sie)? Um sie zu töten und zu verzehren. Er gibt vor, sie zu lieben, und seine Liebe geht auf Tod und Vernichtung aus. Alles, was wir zum Essen lieben, lieben wir dazu, es aufzuzehren und uns daran zu erquicken. Darf man auch die Menschen so lieben, daß man sie gleichsam aufzehrt? Nein, es ist ein freundschaftliches Wohlwollen, derart, daß wir zuweilen denen, die wir lieben, etwas schenken. Wie aber, wenn es nichts zu schenken gibt? Das bloße Wohlwollen genügt dann dem Liebenden. Wir können ja nicht wünschen, daß es Elende gibt, damit wir Werke der Barmherzigkeit üben können. Du reichst einem Hungernden Brot; besser aber wäre es, es würde keiner hungern und du brauchtest keinem zu geben. Du bekleidest einen Nackten; daß doch alle mit Kleidern versorgt wären und eine solche Notwendigkeit nicht bestünde! Du bestattest einen Toten; wenn doch endlich jenes Leben käme, wo niemand stirbt! Du versöhnst Streitende; bestünde doch endlich jener ewige Friede des himmlischen Jerusalem, wo es keinerlei Zwietracht S. 109gibt! Alle diese Pflichten entspringen Notwendigkeiten. Nimm die Elenden weg — und die Werke der Barmherzigkeit werden aufhören. Wird damit auch das Feuer der Liebe erlöschen? Lauterer liebst du einen glücklichen Menschen, dem du nichts geben kannst; reiner wird eine solche Liebe sein und noch viel aufrichtiger; denn wenn du einem Armen Gutes tust, wünschest du dich vielleicht über ihn zu erheben und willst, daß er, der der Urheber deiner Wohltat ist, dir sich unterwerfe. Jener war bedürftig, du warst der Geber; du kommst dir, weil du gegeben hast, gleichsam größer vor als der, dem gegeben wurde. Wünsche, daß er sei wie du, damit ihr beide unter dem einen seid, dem ihr nichts geben könnt (Tr. 8, 5).

So also muß der Christ sein, daß er sich nicht stolz über andere Menschen erhebt. Wenn du dich besser dünken willst als ein anderer Mensch, wirst du neidisch gegen ihn sein, wenn du siehst, daß er dir gleich ist. Du sollst wünschen, daß alle Menschen dir gleich seien; wenn du einem an Klugheit überlegen bist, dann mußt du wünschen, daß er ebenso klug sei. Solange er dir geistig unterlegen ist, lernt er von dir; solange er ungebildet ist, bedarf er deiner; du erscheinst als Lehrer, er als der Belehrte. Du bist ihm also überlegen, weil du der Lehrer bist; und jener ist unter dir, weil er der Schüler ist. Wenn du nicht wünschest, daß er dir gleich ist, willst du ihn immer zum Schüler haben. Willst du ihn aber immer als Schüler haben, so bist du ein eifersüchtiger Lehrer. Wenn du eifersüchtig bist als Lehrer, worin wirst du ein Lehrer sein? Ich bitte dich, mache ihn nicht zum Schüler deiner Eifersucht! Höre S. 110den Apostel über das Wesen der Liebe: „Ich möchte, daß alle Menschen so sind wie ich“ (I Kor. 7, 7). Wie, er wollte, daß alle ihm gleich seien? Darum gerade war er allen überlegen, weil er in seiner Liebe alle sich gleich wünschte (Tr. 8, 8).

Sehet die Werke des Stolzes! Erwägt, wie das, was er tut, dem Tun der Liebe ähnlich, ja gleich ist! Es speist den Hungernden die Liebe, und es speist ihn auch der Stolz: die Liebe tut’s, damit Gott gepriesen werde; der Stolz, damit er selbst gelobt werde. Es kleidet den Nackten die Liebe, und es kleidet ihn auch der Stolz; es fastet die Liebe, und es fastet auch der Stolz; es bestattet die Toten die Liebe, und es bestattet sie auch der Stolz. Alle guten Werke, die die Liebe tun will und tut, treibt in seiner Weise auch der Stolz und treibt sie sozusagen wie seine Pferde. Die Liebe aber ist im Innern; sie bietet dem Stolz, der es übel treibt oder vielmehr sich übel treiben läßt, keine Stätte. Wehe dem Menschen, den der Stolz reitet! Unvermeidlich kommt er zu Fall. Wer aber weiß und sieht, daß es wirklich nicht der Stolz ist, der gute Werke tut? Wir sehen ja nur die Werke: Es gibt Speise die Barmherzigkeit, Speise reicht auch der Stolz; die Barmherzigkeit nimmt den Fremden auf, aber auch der Stolz nimmt ihn auf. Es tritt für den Armen die Barmherzigkeit ein, aber auch der Stolz tritt für ihn ein. Was heißt das? An den Werken können wir keinen Unterschied wahrnehmen. Ich wage etwas zu sagen; nein, nicht ich, Paulus sagt: Es stirbt die Liebe, d. h. ein Mensch, der die Liebe hat, er bekennt den Namen Christi, nimmt das Martyrium auf sich; es bekennt auch der Stolz und nimmt S. 111das Martyrium auf sich. Jener hat die Liebe, dieser hat sie nicht. Es höre aber der, der die Liebe nicht hat, den Apostel: „Wenn ich all das Meine den Armen gebe und wenn ich meinen Leib zum Verbrennen hingebe, aber die Liebe nicht habe, so nützt es mir nichts“ (I Kor. 13, 3).

Die Heilige Schrift ruft uns also von solch äußerlich eitlem Gepränge nach innen, führt uns von dieser Oberflächlichkeit und Hohlheit, die nur die eigene Person, den Menschen, ins Licht stellen will, in die Tiefe. Halte Einkehr in dein Gewissen, dieses befrage! Achte nicht auf die Blüten außen, sondern auf die Wurzel in der Erde! Ist die Begierde die Wurzel? Der Schein der guten Werke kann auch dann bestehen, aber wahrhaft gute Werke kann es da nicht geben. Ist die Liebe die Wurzel? Dann sei unbesorgt! Nichts Schlechtes kann daraus hervorgehen. Es kann der Stolze freundlich sein und die Liebe hart, jener bekleiden, diese züchtigen. Denn jener schenkt Kleider, um den Menschen zu gefallen, und diese schlägt, um durch Zucht zu bessern. Bessere Aufnahme findet die Wunde des Liebenden als die Wohltat des Stolzen. Haltet also Einkehr in euer Inneres, Brüder! Und in allem, was ihr tut, schaut, daß Gott euer Zeuge sei! Achtet darauf, daß er sieht, in welcher Gesinnung ihr handelt! Wenn euer Herz euch nicht anklagt, daß ihr aus Hochmut handelt, gut denn, so seid unbesorgt! Fürchtet euch aber nicht, daß ein anderer euch sieht, wenn ihr Gutes tut! Fürchte nur, es deshalb zu tun, damit du gelobt wirst; denn der andere soll es ruhig sehen, damit Gott gepriesen werde. Wenn du es nämlich vor den Augen der Menschen S. 112verbirgst, verbirgst du es vor Menschen, die dich nachahmen könnten, und entziehst damit Gott die Ehre. Zwei sind es, denen du eine Wohltat erweist; zwei, die hungern: der eine nach Brot, der andere nach Gerechtigkeit. Zwischen diese beiden Hungrigen bist du als Guttäter gesetzt. Wo die Liebe in einem am Werk ist, erbarmt sie sich beider, will sie beiden zu Hilfe kommen. Der eine nämlich verlangt nach Speise, der andere nach einem Vorbild zur Nachahmung. Du speisest diesen, du gibst dich selbst jenem! Beiden hast du eine Wohltat erwiesen. Jenen hast du beglückt, indem du ihm den Hunger stilltest, diesen hast du bestärkt zur Nachahmung deines Beispiels (Tr. 8, 9).

Habet also Erbarmen in wahrer Barmherzigkeit; denn auch wenn ihr die Feinde liebt, liebt ihr Brüder. Glaubt nicht, daß Johannes kein Gebot der Feindesliebe gegeben habe! Er schwieg doch nicht über die Bruderliebe. Nun, ihr liebt sie als Brüder. Wieso, sagst du, lieben wir sie als Brüder? Ich frage dagegen, warum du den Feind liebst? Was wünschest du ihm mit deiner Liebe? Daß er gesund sei in diesem Leben? Was aber, wenn es ihm nicht frommt? Daß er reich sei? Was aber, wenn der Reichtum ihn verblendet? Daß er eine gute Heirat mache? Was aber, wenn er dadurch nur Bitterkeit erfährt? Daß er Kinder habe? Was aber, wenn sie ihm mißraten? Unsicher also sind diese Dinge, die du deinem Feinde scheinbar darum wünschest, weil du ihn liebst; ungewiß sind sie. Wünsche ihm, daß er mit dir das ewige Leben habe, wünsche ihm, daß er dein Bruder sei! Wenn du das deinem Feinde aus Liebe wünschest, daß er dein Bruder sei, liebst du ihn als deinen S. 113Bruder. Denn nicht das liebst du an ihm, was er ist, sondern was du wünschest, daß er sei. Ich habe euch, meine Lieben, wenn ich mich nicht täusche, schon einmal gesagt: Gesetzt, es liege ein Baumstamm da; ein rechter Handwerksmeister sieht den unbehauenen, im Walde geschnittenen Baum und hat seine Freude daran; er will daraus, ich weiß nicht was, machen. Nicht darum hat er ja seine Freude daran, daß er immer so bleiben soll, wie er ist. In seinem Künstlergeist sieht er, was er daraus machen wird; freut sich an dem, was er daraus machen wird, nicht an dem, wie er ihn vor sich sieht. So ähnlich liebte auch Gott uns Sünder. Gott liebte die Sünder, behaupten wir; sagt er doch: ,,Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken“ (Matth. 9, 12). Hat er uns als Sünder etwa dazu geliebt, daß wir Sünder bleiben? Wie ein Handwerksmeister das Holz aus dem Walde sah er uns und dachte an den Bau, den er damit aufführen würde, nicht an den Wald, wie er war. So schaust auch du auf deinen Feind, der dir gegenübertritt, der mit Worten tobt, die wie Bisse sind, mit Schmähungen dich erbittert, mit Haß dich verfolgt; du vergißt darüber nicht, daß er ein Mensch ist. Du siehst, daß all dieses Böse vom Menschen herkommt; und du siehst in ihm dennoch auch ein Geschöpf Gottes. Als Mensch wurde er von Gott geschaffen; nur sein Haß gegen dich war seine eigene Tat; daß er dich mit Neid verfolgte, war seine eigene Tat. Und was sprichst du in deinem Herzen? Herr, sei ihm gnädig, verzeihe ihm seine Sünden! Flöße ihm heilsamen Schrecken ein, ändere ihn! Nicht das liebst du an ihm, was er ist, sondern was du S. 114willst, daß er sei. Wenn du also deinen Feind so liebst, liebst du ihn als Bruder. Darum ist die vollkommene Liebe die Feindesliebe und ist diese vollkommene Liebe in der Bruderliebe mit inbegriffen. Niemand sage, daß uns der Apostel Johannes zu Geringerem und der Herr Jesus zu Höherem aneiferte: Johannes gab uns die Mahnung, die Brüder zu lieben; Christus mahnte uns, sogar die Feinde zu lieben. Hab acht, in welchem Sinn Christus dich zur Feindesliebe auffordert! Etwa dazu, daß sie immer Feinde bleiben? Wenn er dich dazu aufforderte, so haßt du sie und liebst sie nicht. Denk daran, wie er selbst liebte: Nicht wollte er, daß seine Verfolger Verfolger bleiben. „Vater“, sagt er, „verzeihe ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Luk. 23, 34). Er wollte, daß die, für die er Verzeihung erbat, sich ändern: Durch seine Gnade machte er die, von denen er wollte, daß sie sich ändern, aus Feinden zu Brüdern. Er wurde getötet, wurde begraben, stand auf, fuhr in den Himmel auf, sandte den Jüngern den Heiligen Geist; sie begannen seinen Namen mit Zuversicht zu predigen, wirkten Wunder im Namen des Gekreuzigten und Getöteten; die den Herrn ermordet hatten, sahen es; und die sein Blut in Haß und Leidenschaft vergossen hatten, tranken es nun im Glauben (Tr. 8, 10).

Meine Rede, Brüder, hat sich etwas in die Länge gezogen; weil ich jedoch eurer Liebe (d. h. euch, die ihr in Liebe verbunden seid) gerade die Liebe recht eindringlich ans Herz legen mußte, konnte ich nicht anders. Wenn die Liebe nicht in euch ist, ist meine Predigt umsonst. Wenn sie aber in euch ist, habe ich sozusagen Öl ins Feuer S. 115gegossen; und in manchem, in dem sie nicht war, wurde sie vielleicht durch mein Wort entzündet; in einem wuchs, was da war; in einem andern begann zu sein, was nicht da war. Dazu also haben wir zu euch geredet, daß ihr nicht lässig darin seid, die Feinde zu lieben. Tobt ein Mensch gegen dich, laß ihn toben: du bitte! Er haßt dich: du habe Erbarmen mit ihm: Im Fieber seiner Seele haßt er dich: er wird gesunden und es dir danken (Tr. 8, 11).

pattern
  Imprimer   Rapporter une erreur
  • Afficher le texte
  • Référence bibliographique
  • Scans de cette version
Traductions de cette œuvre
Gott ist die Liebe. Die Predigten des Hl. Augustinus über den 1. Johannesbrief
Commentaires sur cette œuvre
Einleitung: Gott ist die Liebe. Die Predigten des Hl. Augustinus über den 1. Johannesbrief

Table des matières

Faculté de théologie, Patristique et histoire de l'Église ancienne
Miséricorde, Av. Europe 20, CH 1700 Fribourg

© 2025 Gregor Emmenegger
Mentions légales
Politique de confidentialité