2.
Dort ist der Vater und der Sohn und der Hl. Geist, die unerschaffene Natur, die herrliche Majestät, die wesenhafte Güte. Der Vater, der Anfang aller Dinge, die Ursache für alles Sein des Seienden, die Wurzel von allem Lebendigen. Von ihm ist ausgegangen die Quelle des Lebens, die Weisheit, die Macht, das vollkommen gleiche Ebenbild des unsichtbaren Gottes1, der vom Vater geborene Sohn, der lebendige Logos, der Gott ist und bei Gott ist2, der da war und nicht erst wurde, der da ist vor den Zeiten und nicht erst später hinzutrat, Sohn, nicht Besitz, Bildner, nicht Gebilde, Schöpfer, nicht Geschöpf, der alles ist, was der Vater ist — kurz: Dort ist Sohn und Vater. Merke mir diese Eigenschaften! Der Sohn bleibt, was er ist, obschon er alles ist, was der Vater — nach dem Ausspruche des Herrn selbst, der da sagt: „Alles, was der Vater hat, ist mein“3. Denn ein wirkliches Ebenbild hat alles, was dem Urbild eignet. „Denn wir haben“, sagt der Evangelist, „seine Herrlichkeit gesehen, eine Herrlichkeit, wie die des Eingebornen vom Vater4“, d. h. nicht als Geschenk und Gnade sind ihm die Wunder gegeben worden, sondern auf Grund seiner Wesensgemeinschaft hat der Sohn die Majestät der S. 393 väterlichen Gottheit. Das Empfangen ist Sache der Kreatur, aber das Haben von Natur ist dem Gebornen eigen. Er besitzt also als Sohn von Natur das, was des Vaters ist, und als Eingeborner faßt er alles in sich zusammen, ohne etwas mit einem Zweiten zu teilen. Wir werden also schon durch die Bezeichnung „Sohn“ belehrt, daß er das Wesen des Vaters teilt, nicht auf sein Gebot hin geschaffen ist, sondern ungetrennt aus der Wesenheit ausstrahlt, ewig mit dem Vater vereint, ihm gleich an Güte, gleich an Macht, Mitgenosse seiner Herrlichkeit. Was ist er denn anders als ein Spiegel und Bild, das ganz den Vater in sich darstellt?
Was dir aber der Sohn hernach von seiner leiblichen Erscheinung sagt, in der er das Heil der Menschen wirkte, das Heil, das er eben in seiner Erscheinung im Fleische uns offenbarte, wenn er sagt, er sei selbst gesandt worden5 und könne nichts von sich selbst tun6, er habe ein Gebot erhalten7, und was dergleichen, so darf das dir keine Veranlassung geben, die Gottheit des Eingebornen zu schmälern. Seine Herablassung zu deiner Schwachheit darf nicht zu einer Geringschätzung der Würde des Mächtigen ausschlagen. Vielmehr mußt du dir sein Wesen denken, wie es Gott geziemt, die Stellen von seiner Erniedrigung aber von seiner Menschwerdung verstehen. Wollten wir jetzt darüber ausführlich handeln, so könnten wir, ohne uns lange zu besinnen, unzählig viele Worte zu diesem Thema anführen8.
