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Doch kehren wir zu unserem Thema zurück! Eine Seele, die es fertig bringt, von der irdischen Anhänglichkeit sich frei zu machen, die ganze intelligible Schöpfung zu verlassen und wie ein Fisch aus der Tiefe an die Oberfläche emporzutauchen, wird dort, in der Region der reinsten Schöpfung, den Hl. Geist sehen, wo der Sohn und der Vater ist, den Geist, der von gleicher S. 394 Natur und Wesenheit auch alles hat, die Güte, die Gerechtigkeit, die Heiligkeit, das Leben. Denn die Schrift sagt: „Dein guter Geist1.“ Und wieder „den rechten Geist2“, und abermals „den heiligen Geist3.“ Auch der Apostel sagt: „Das Gesetz des Geistes des Lebens4.“ Von diesen Eigenschaften hat er keine erworben oder erst später hinzubekommen, sondern wie vom Feuer die Wärme und vom Licht das Leuchten nicht getrennt werden kann, so kann auch vom Geiste die Heiligung, das Lebendigmachen, die Güte und Gerechtigkeit nicht getrennt werden. Dort also ist der Geist, dort in der seligen Wesenheit, nicht zu einer Vielheit gezählt, sondern in der Dreiheit geschaut, als Einheit verkündet, nicht in einem Kompositum miteinbegriffen. Wie einer Vater und einer Sohn, so ist auch einer der Hl. Geist. Die dienstbaren Geister dagegen stellen sich uns in jeder Stufe als eine unzählbare Schar dar. Daher suche nicht in der Schöpfung, was über die Schöpfung erhaben ist! Stelle nicht den, der heiligt, mit denen zusammen, die geheiligt werden!
Der Geist erfüllt die Engel, erfüllt die Erzengel, heiligt die Gewalten, belebt alles. Er verteilt sich in die ganze Schöpfung, teilt sich dem einen so, dem andern anders mit, wird aber durch die Anteilnahme anderer nicht verringert. Er verleiht allen seine Gnade, erschöpft sich aber nicht in den Teilnehmenden, erfüllt vielmehr die, welche ihn empfangen, ohne daß ihm selbst etwas abgeht. Wie die Sonne die Körper beleuchtet und sich ihnen verschiedentlich mitteilt, ohne durch die partizipierenden Körper verringert zu werden, so gibt auch der Geist allen seine Gnade und bleibt doch unversehrt und ungeteilt. Er erleuchtet alle zur Erkenntnis Gottes, er begeistert die Propheten, macht weise die Gesetzgeber, weiht die Priester, stärkt die Könige, vollendet die Gerechten, macht Enthaltsame ehrwürdig, bewirkt die Gabe der Heilung, macht die Toten lebendig, befreit die S. 395 Gefangenen, macht zu Kindern die Fremdlinge. Dies alles bewirkt er durch die Geburt von oben her. Findet er einen gläubigen Zöllner, so macht er ihn zum Evangelisten5; stößt er auf einen Fischer, so macht er ihn zum Gottesgelehrten6; findet er einen reumütigen Verfolger, so macht er ihn zum Heidenapostel, zum Herold des Glaubens, zum „Gefäß der Auserwählung7.“ Durch ihn werden die Schwachen stark, die Armen reich, die Unmündigen und Ungebildeten weiser als die Gelehrten. Paulus war schwach, aber dank der Gegenwart des Geistes brachten die Schweißtücher seines Leibes Heilung denen, die sie nahmen8. Auch Petrus hatte einen schwächlichen Körper; aber dank der ihm einwohnenden Gnade des Geistes vertrieb der Schatten seines Körpers die Krankheit der Leidenden9. Arm waren Petrus und Johannes; denn sie hatten weder Silber noch Gold10; aber sie schenkten die Gesundheit, die mehr wert ist als vieles Gold. Von vielen erhielt jener Lahme Geld, blieb aber trotzdem ein Bettler; als er aber von Petrus die Gabe erhielt, sprang er auf wie ein Hirsch, lobte Gott und stellte sein Betteln ein. Johannes wußte nichts von der Weisheit der Welt, und doch sprach er in Kraft des Geistes Worte, zu denen keine Weisheit aufblicken kann.
Dieser Geist ist im Himmel, erfüllt die Erde, ist überall zugegen, hat nirgends Schranken. Er wohnt ganz in jedem und ist ganz mit Gott. Nicht als Diener verteilt er die Gaben, sondern eigenmächtig spendet er die Gnaden. „Denn er teilt“, wie Paulus sagt, „jedem von sich aus zu, wie er will11.“ Wohl wird er als Vermittler geschickt, wirkt aber aus eigener Kraft. Laßt uns bitten, daß er in unseren Seelen wohne und uns zu keiner Zeit verlasse in der Gnade unseres Herrn Jesu Christi, dem Ehre und Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
