2.
Wer von diesen Gebrechen rein ist, der möchte ohne abzuirren, die Leitung auf eine für ihn selbst lohnende und für Diejenigen, welche ihm folgen, heilsame Weise führen. Denn wer weder nach menschlichen Ehren strebt noch Das, was den Sündern anstößig ist, zu vermeiden sucht, um ihnen angenehm zu sein und zu gefallen, sondern wahrhaft aus Liebe handelt, der wird sich mit Freimuth aufrichtig und rein aussprechen und in keiner Weise die Wahrheit fälschen. Daher passen auf ihn auch folgende Worte: „Sind wir doch Kinder geworden in eurer Mitte, wie wenn eine Amme abwartet ihren Kindern. Also euer begehrend waren wir bereitwillig, euch darzugeben nicht allein das Evangelium Gottes, sondern auch unser Leben.“1 Wer sich nicht so hält, der ist ein blinder Führer, der nicht allein sich selbst in die Grube stürzt, sondern auch Die mit hineinzieht, welche ihm folgen. Aus dem Gesagten ist daher zu S. 110 ersehen, ein wie großes Übel es ist, den Bruder statt auf den rechten Weg in die Irre zu führen. Auch ist Dieses ein Zeichen, daß das Gebot der Liebe nicht erfüllt werde, denn kein Vater achtet nicht auf sein Kind, wenn es im Begriffe ist in einen Abgrund zu stürzen, oder überläßt es, wenn es hinein gefallen ist, seiner unglücklichen Lage. Um wie viel schrecklicher es aber sei, eine in den Abgrund der Sünde gefallene Seele dem Verderben zu überlassen, bedarf keiner Erwähnung. Daher muß der Vorsteher der Bruderschaft über die Seelen derselben wachen und für die Rettung eines Jeden besorgt sein, weil er davon Rechenschaft geben muß; ja seine Sorge muß so weit gehen, daß er selbst bis zum Tode seinen Eifer für sie beweist, nicht allein wegen dessen, was der Herr allgemein zu Allen von der Liebe gesagt hat: daß man für seine Freunde sein Leben hingeben müsse, sondern was Paulus noch besonders gesagt hat in den Worten: „Also euer begehrend waren wir bereitwillig euch darzubringen nicht allein das Evangelium Gottes, sondern auch unser Leben.“2
