2.
Übrigens muß sich Jeder an seine eigene Arbeit halten und ihr mit Fleiß obliegen und, als wenn Gott ihm zusähe, dieselbe mit unermüdlichem Eifer und emsiger Sorgfalt ohne Tadel verrichten, auf daß er immer mit Zuversicht sagen kann: „Siehe, wie die Augen der Knechte auf die Hände ihrer Herren, so schauen unsere Augen auf den Herrn unsern Gott,“1 und nicht von der einen zur andern übergehen. Denn auch unsere Natur kann nicht viele Geschäfte zugleich verrichten; es ist daher nützlicher, eines mit Fleiß zu betreiben, als viele anzufangen und keines zu vollenden. Denn sich auf mehrere vertheilen und von einem zum andern übergehen, ohne eines zu vollenden, ist entweder das S. 139 Zeichen eines wirklich leichtsinnigen Charakters oder führt dazu. Fordert es aber einmal die Noth, daß Derjenige, welcher tauglich ist, auch bei anderen Handwerken helfen muß, so soll er Das nicht aus sich thun, sondern wenn er dazu aufgefordert wird, nicht nach eigenem Entschluß, sondern wenn es die Umstände erheischen, wie wir ja auch bei den Gliedern des Körpers, wenn der Fuß seine Dienste versagt, uns auf die Hand stützen. Und wie es ferner unpassend ist, aus eigenem Antriebe daran zu gehen, ebenso tadelswürdig ist es, ein übertragenes Geschäft abzulehnen, damit nicht die Leidenschaft der Eigenmächtigkeit genährt noch die Grenze des Gehorsams und der Folgsamkeit überschritten werde. Die Sorge für die Geräthschaften ist vorzüglich die Sache dessen, der das Handwerk betreibt, zu dem sie gehören. Trifft es sich aber nun, daß Etwas übersehen wird, so muß es als ein Allen gemeinsamer Besitz von denen, die es zuerst wahrnehmen, mit geziemender Vorsicht besorgt werden. Denn ist auch der Gebrauch derselben ein besonderer, so ist Das, was mit ihnen geschaffen wird, gemeinschaftlich. Denn die Geräthschaften eines anderen Handwerkes, als gingen sie ihn Nichts an, verachten, heißt sie für fremde ansehen. Auch dürfen sich die Handwerker, welche die Geräthschaften gebrauchen, darüber keine Herrschaft anmaßen, so daß sie dem Vorsteher der Brüderschaft nicht gestatten, sich derselben zu bedienen, oder sich herausnehmen, sie zu verkaufen oder zu vertauschen oder auf andere Weise fort zu geben oder zu den vorhandenen andere anzuschaffen. Denn wer sich einmal entschlossen, über seine eigenen Hände nicht mehr Herr zu sein, und es einem Anderen anheimgegeben hat, ihre Thätigkeit zu bestimmen, wie wird der seinem Entschlusse gemäß handeln, wenn er sich das alleinige Recht über sein Handwerkszeug anmaßt und darüber despotisch gebietet!
Ps. 122, 2 [Hebr. Ps. 123, 2]. ↩
