2.
S. 68 Auch hat die Seele ausser allen den vielen anderen Hindernissen schon wegen der Menge der Sünden, die sie sieht, keine Zeit, ihre eigenen Sünden gewahr zu werden und darüber in Reue sich zu zerknirschen, sondern sie maßt sich bei der Vergleichung mit den Schlechteren sogar noch einen Schein von Tugend an; anderseits wird sie durch das Getümmel und die Geschäfte, welche das Zusammenleben mit sich zu führen pflegt, von dem sehr kostbaren Gedanken an Gott abgelenkt und nicht nur der Freude und Wonne in Gott beraubt und des Genusses des Herrn und seiner lieblichen Worte, so daß sie nicht sagen kann: „Ich denke an Gott und freue mich;“1 ferner: „Wie süß sind deine Worte meinem Gaumen, sie sind süßer meinem Munde als Honig;“2 sondern sie gewöhnt sich auch, seine Gerichte ganz und gar zu verachten und zu vergessen, was das größte und verderblichste Übel ist, das sie treffen kann.
