2.
Überhaupt müssen wir uns hüten, daß wir nicht unter dem Vorwande, ein Gebot zu erfüllen, ein anderes zu verletzen scheinen. So ziemt es uns nicht, mit den Unverständigen zu streiten oder zu zanken, zumal soll ein Diener des Herrn nicht streiten, sondern, wenn ihm von dem fleischlichen Verwandten Unrecht geschieht, sich an den Herrn erinnern, der da sagt: „Es ist Niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Vater oder Mutter oder Weib oder Kinder oder Äcker, nicht schlechthin, sondern meinet- und des Evangeliums wegen verläßt, der nicht dafür Hundertfältiges in dieser Zeit empfängt und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“1 Den Unverständigen muß man daher erklären, sie machten sich der Sünde des Kirchenraubs schuldig nach dem Gebote des Herrn, der da sagt: „Hat dein Bruder gesündigt, so gehe hin und verweise es ihm u. s. w.;“2 aber mit ihm vor weltlichen Gerichten zu streiten, verbietet die Lehre der Gottesfurcht mit folgenden Worten: „Und will Jemand mit dir vor Gericht streiten, und dir deinen Rock nehmen, so laß ihm auch den Mantel;“3 und: „Wagt es Jemand von euch, der einen Streit mit einem Anderen hat, sich bei den ungerechten Richtern und nicht bei den Heiligen richten zu lassen?“4 Bei Diesen also wollen wir sie vor Gericht fordern, mehr auf das Heil des Bruders als auf die Menge des Geldes sehend. Denn auch der Herr, nachdem er gesagt hat: „Hört er auf dich“, fügt nicht hinzu, so hast du das Geld gewonnen, „sondern deinen Bruder.“5 Es geschieht aber wohl, daß uns der Urheber des Unrechts selbst zur Aufklärung der Wahrheit vor das öffentliche Gericht fordert, dann erscheinen wir dort freilich S. 80 nicht als Streitstifter, sondern der Vorladung folgend und nicht, um die eigene Leidenschaft des Zorns oder der Streitsucht zu befriedigen, sondern um die Wahrheit aufzudecken. Denn auf diese Weise entheben wir sowohl Jenen wider seinen Willen der Übel, als wir auch selbst die Gebote Gottes nicht übertreten, indem wir als Diener Gottes ohne Streitsucht und Geldgier standhaft auf der Entfaltung der Wahrheit bestehen und nirgends das erlaubte Maß des Eifers überschreiten.
