4.
Daher muß die Seele, solange sie noch leicht zu bilden und zart ist und wie in weiches Wachs Das, was in sie gelegt wird, sich leicht einprägt, gleich von Anfang an zu jeder Übung guter Werke angehalten werden, so daß, wenn Vernunft und Urtheilskraft hinzukommen, sie von den ersten Anfangsgründen und den überlieferten Eindrücken der Frömmigkeit den Ausgang nimmt und die Vernunft von der Nützlichkeit überzeugt, indeß die Gewohnheit die Verrichtung dessen, was recht ist, erleichtert. Dann aber soll man auch die Ablegung des Gelübdes der Jungfräulichkeit gestatten, weil es jetzt fest ist und aus eigener Entschließung und aus eigenem Urtheile hervorgeht, nach dem die Vernunft zur Reife gelangt ist; von dieser Zeit an werden sowohl Belohnungen als Strafen, je nachdem sie sündigen oder recht handeln, von dem gerechten Richter nach Verdienst der Werke verliehen. Zu Zeugen dieses Entschlusses nehme man aber die Vorsteher der Kirche, damit durch sie sowohl die Reinheit des Leibes als ein Weihegeschenk Gott dargebracht als auch durch ihr Zeugniß die Handlung bekräftigt werde. „Denn auf Aussage zweier oder dreier S. 89 Zeugen wird jegliche Sache festgesetzt.“1 Denn auf diese Weise wird das Benehmen der Brüder kein Vorwurf treffen, aber auch denen, welche sich Gott geweiht haben, später aber das Gelübde brechen wollen, kein Vorwand gelassen, sich nicht schämen zu brauchen. Wer aber sein Leben nicht in Jungfräulichkeit zubringen will, als sei er nicht im Stande Das zu thun, was Gottes ist, der werde vor eben den Zeugen entlassen. Hat nun Jemand nach langer Prüfung und Überlegung, die ihm mehrere Tage anzustellen gestattet sein muß, damit es nicht den Anschein habe, als suchten wir zu überrumpeln, das Gelübde abgelegt, so muß er aufgenommen und in die Zahl der Brüder eingereiht werden, so daß er Wohnung und Unterhalt mit den Älteren theilt. Was wir aber vergessen haben und jetzt als nicht ungeeignet hinzufügen, ist, daß gewisse Künste schon gleich von Kindheit auf geübt werden müssen, und daß, wenn Knaben zur Erlernung derselben fähig zu sein scheinen, diese nicht abgehalten werden dürfen, den Tag bei den Lehrern der Kunst zuzubringen. Nachts werden wir sie natürlich wieder zu ihren Altersgenossen schicken, mit denen zusammen sie essen müssen.
Matth. 18, 16. ↩
