1. Antwort
Auch auf Das, was von den Meisten übersehen wird, müssen die Religiosen nicht wenig Acht haben. Denn sich einem unmäßigen und unbändigen Lachen überlassen, ist ein Zeichen von Unenthaltsamkeit und davon, daß man die Regungen nicht beherrscht und die Leichtfertigkeit der Seele nicht durch die Strenge der Vernunft niedergehalten wird. Dagegen ist nicht ungeziemend, durch sanftes heiteres Lächeln die Fröhlichkeit der Seele anzuzeigen; davon allein spricht die Schrift, wenn sie sagt: „Ein fröhliches Herz erheitert das Angesicht.“1 Aber laut aufzulachen, so daß unwillkürlich der ganze Leib erschüttert wird, geziemt Dem nicht, der ruhigen Gemüths ist, fromm und sich selbst beherrscht. Diese Art des Lachens tadelt auch der Prediger, weil es die Beständigkeit der Seele sehr zum Wanken bringt, indem er sagt: „Lachen galt mir als Verwirrung,“2 und: „Wie das Knistern der Dornen, die unter dem Topfe brennen, so ist der Thoren Gelächter.“3 Auch hat der Herr offenbar die nothwendige Affekte des Fleisches auf sich genommen, sowie diejenigen, welche von der Tugend Zeugniß geben, z. B. Müdigkeit und Mitleid mit den Bedrängten, aber gelacht hat er niemals, so viel aus der S. 93 Geschichte der Evangelien bekannt ist, wohl aber nennt er Diejenigen unglücklich, welche sich demselben überlassen. Laßt euch nicht täuschen von der Doppelsinnigkeit des Wortes „Lachen“, denn die Schrift pflegt oft sowohl die Freude der Seele als auch die fröhliche Stimmung über das Gute Lachen zu nennen. So sagt Sara: „Gott hat mir Lachen erregt.“4 Ferner heißt es: „Selig seid ihr, da ihr jetzt weinet, denn ihr werdet lachen,“5 und steht bei Job geschrieben: „Der wahrhafte Mund aber wird voll Lachens werden.“6 Denn alle diese Ausdrücke sind genommen von der Fröhlichkeit, welche die Seele bei freudiger Stimmung kund gibt. Wer daher über jede Leidenschaft erhaben weder einen Reiz zur Lust verspürt noch zeigt, sondern sich jedem schädlichen Vergnügen starkmüthig und tapfer widersetzt, der ist vollkommen enthaltsam. Ein Solcher ist aber auch offenbar von jeder Sünde frei. Es kann aber auch vorkommen, daß man sich von Dem enthalten muß, was erlaubt und zum Leben nothwendig ist, wann nämlich zum Nutzen unserer Brüder die Entsagung angeordnet wird. So sagt der Apostel: „Wenn eine Speise meinen Bruder ärgert, will ich kein Fleisch essen in Ewigkeit.“7 Und obgleich er die Erlaubniß hatte vom Evangelium zu leben, machte er von der Erlaubniß doch keinen Gebrauch, um dem Evangelium Christi kein Hinderniß in den Weg zu legen.
