5.
Der Freundschaft habe ich einen Vorwurf zu machen. Wer von den gemeinsamen Freunden wird mir recht geben? Oder wo wird der unbestechliche Richter sein, der ein gerechtes Urteil fällt und nicht mit der Masse auf das Ansehen der Person Rücksicht nimmt? S. 253 Soll ich den Vorwurf nennen? Wirst du nicht von neuem eine Rede gegen mich loslassen? Bewundernswürdiger, zwischen dir und uns spielte sich etwas ab, was nicht bekannt ist, was tatsächlich nicht besprochen und nicht geglaubt wird, etwas bisher Unerhörtes1. Nicht freiwillig, sondern gezwungen haben wir gehandelt. Wie sonderbar! Alles hat sich geändert. Wie viel hat uns getrennt! Willst du, daß ich von dem Throne oder von der Größe der Gnade spreche? Doch „gehe voraus, schreite mutig voran und herrsche2“ und weide uns, die Hirten! Wir sind bereit, dir zu folgen und uns von deinem erhabenen, gottbegnadigten Hirtengeiste führen zu lassen. Es ist uns ernst damit, wenn wir auch wider die Gewohnheit im Geiste der Liebe etwas gewagt haben. Lehre uns deine Hirtenliebe, deine Sorgfalt und Klugheit, deinen Führergeist, dein nächtliches Wachen, deine geistige Herrschaft über das Fleisch, deinen Opfersinn, der Kraft und Jugend für die Herde hingibt, deine Kunst, Strenge und Milde zu vereinen und ― was selten zu finden ist und worin es an Vorbildern fehlt ― im Handeln Ruhe und Sanftmut zu bewahren! Lehre uns, um der Herde willen in den Kampf zu gehen und die Siege zu erringen, welche du in Christus gewonnen hast!
Gregor war wider seinen Willen zum Bischof von Sasima ernannt worden. Dem Erzbischof Basilius, der ungehalten war über die Teilung Kappadoziens in zwei Provinzen, war, um Sasima im Kampfe gegen den Erzbischof von Tyana für sich zu retten, daran gelegen, hier einen Freund als Bischof zu haben. Vgl. Gregor, Carm. 2, 1, 11, v. 386 ff. ↩
Ps. 44, 5 [hebr. Ps. 45, 5]. ↩
