Häresien des ersten Abschnittes vom zweiten Buche.
S. 208In dem ersten Abschnitte des zweiten Buches, dem vierten in der Gesamtreihenfolge aller Abschnitte, sind achtzehn Häresien enthalten, und zwar:
47. Die Enkratiten, gleichsam ein Anhängsel zu Tatian. Sie verdammen die Ehe und schreiben sie dem Satan zu. Vom Genüsse alles Belebten enthalten sie sich.
48. Die Kataphryger, auch Montanisten, nehmen beide Testamente an, fügen aber zu den gewöhnlichen Propheten noch neue bei und verehren einen sicheren Montanus und eine gewisse Priszilla.
49. Die Pepuzianer, auch Quintilianer genannt, zu denen noch die Artotyriten gehören1 , sind wohl aus den eben behandelten Kataphrygern hervorgegangen, haben aber doch einzelne Besonderheiten in ihrer Lehre. Pepuza, einer öden Stadt zwischen Galatien, Kappadozien und Phrygien gelegen, erweisen sie göttliche Ehren und halten sie für das obere Jerusalem. Es gibt noch ein anderes Pepuza. Weiber lassen sie das Hirten- und Priesteramt verwalten. Aufgenommen werden sie durch gewisse Mysterien, in denen sie einen Knaben durchbohren2 . Zu Pepuza soll ein Christus in Frauengestalt der Quintilla oder Priszilla erschienen sein. Sie nehmen S. 209das Alte und Neue Testament an, ändern jedoch darin nach eigenem Ermessen.
50. Die Tessarakaidekatiten, welche immer an einem feststehenden Jahrestag das Pascha feiern. Sie fasten und halten die Vigilien [des Osterfestes] immer am vierzehnten Tage des Monates [Nisan], sei es nun ein Sabbat oder Sonntag.
51. Die Aloger. Von uns so genannt. Sie verwerfen das Evangelium des Johannes und den ewigen GottLogos darin, der vom Himmel herab, vom Vater herkommt. Ebensowenig wie das Evangelium des Johannes nehmen sie die Apokalypse an.
52. Die Adamianer, nach einem gewissen Adam so genannt, bekennen sich zu einer mehr lächerlichen als annehmbaren Lehre. Nackt nämlich, wie sie aus dem Mutterschoße hervorkamen, kommen sie, Männer und Weiber untereinander gemischt, zusammen und obliegen so ihren Lesungen und Gebeten und religiösen Übungen. Sie befleißen sich freilich3 eines mönchischen Lebens, üben Enthaltsamkeit, verurteilen die Ehe und nennen ihre Kirche Paradies.
53. Die Sampsäer und Elkesäer leben bis zum heutigen Tage in Arabien jenseits des Roten Meeres und sind die Schüler eines Pseudopropheten Elkesäus. Aus seinem Geschlechte leben heute noch zwei Weiber: Marthus und Marthina, welche die Häretiker als Göttinnen verehren. In ihrer Lehre stimmen sie ganz mit den Ebionäern überein.
54. Die Theodotianer, von Theodot, einem Gerber aus Byzanz, so genannt. Dieser mit den hellenischen Wissenschaften wohl vertraute Mann wurde mit einigen anderen bei der damaligen Verfolgung ergriffen, und während alle seine Genossen den Martertod erlitten, S. 210schwor er allein den Glauben ab. Deshalb mit Vorwürfen überhäuft, sagte er aus, Christus sei reiner Mensch, so daß man ihm also nicht vorwerfen könne, er habe Gott verleugnet.
55. Die Melchisedekianer halten den Melchisedek so in Ehren, daß sie meinen, er sei eine Art größere Kraft, nicht nur ein Mensch. Sie haben es sogar unternommen, auf seinen Namen alles zurückzuführen.
56. Die Bardesianisten. Unser Bardesanes war aus Mesopotamien, bekannte anfangs den reinen Glauben und zeichnete sich durch seine Weisheit aus. Später fiel er von der Wahrheit ab und stimmte in seiner Lehre mit Valentin überein mit Ausnahme einzelner Punkte, in denen er von ihm abweicht.
57. Die Noetianer. Dieser Noetus war aus Smyrna in Asien4 . Hochfliegend wagte er zugleich mit dreien anderen zu lehren, Christus sei Sohnvater5 , ebenderselbe sei Vater und Sohn und Hl. Geist. Sich gab er für Moses, seinen Bruder für Aaron aus.
58. Die Valesier. Diese wohnen, glaube ich, zu Bakath, dem Hauptorte des philadelphischen Arabien. Die Valesier pflegen Jünger, ja selbst Gastfreunde zu verschneiden. Die meisten aus ihnen sind denn auch Eunuchen und Verschnittene, Sie haben auch sonst ganz irrtümliche Lehren und verwerfen unter anderem das Gesetz und die Propheten. Dazu kommen noch verschiedene Schandtaten, die sie verüben.
59. Die Katharer hängen einem Nabatus [= Novatus] zu Rom an, stoßen die Wiederverehelichten aus; sie verstatten ihnen keine Buße.
60. Die Angeliker kommen heute nicht mehr vor. S. 211Sie rühmten sich, angelischer Rangordnung zu sein, wenigstens nannten sie sich Engel.
61. Die Apostoliker, auch Apotaktiker, findet man in Pisidien. Sie nehmen nur „Entsagende“ auf, sie haben ihre eigenen Gebetszirkel. Sonst gleichen sie annähernd den Enkratiten; doch machen sie einzelne andere häretische Aufstellungen.
62. Die Sabellianer stimmen fast in allem mit den Noetianern überein, nur geben sie nicht zu, daß der Vater gelitten habe.
63. Die Origenianer, von einem gewissen Origenes sich herleitend, verüben häßliche Schandtaten, geben sich unnatürlichen Greueln und ihre Leiber dem Verderben preis.
64. Die anderen Origenianer, welche von dem Schriftsteller Origenes Adamantius sich ableiten, leugnen die Auferstehung der Toten, zählen Christus und den Hl. Geist unter die Geschöpfe; sie erklären Paradies und Himmel und alles übrige allegorisch und versteigen sich zu der Behauptung, Christi Reich werde einmal sein Ende nehmen.
Dies die achtzehn Häresien vom ersten Abschnitte des zweiten Buches.
So genannt, weil sie sich bei der Feier ihrer Mysterien nicht nur des Brotes bedienten, sondern auch Käse verwendeten. Den Grund hierfür gibt Augustinus [de haer. c. 28] an : Dicentes [Artotyritae] a primis hominibus oblationes de fructibus terrae et ovium fuisse celebratas. [W.]. ↩
Es gibt auch Kirchenväter, welche diese Sektierer von derlei entzetzlichen Schandtaten mehr oder minder freisprechen. S. Hieronymus ep. 27 [alias 54]. [W.]. ↩
δῆθεν, was allerdings gerne ironisch gebraucht wird : vor geblioh, soheinbar. ↩
Im Pan. haer. 57 n. 1 macht ihn Epiphanius zu einem Ephesiner. ↩
Υἱοπατέρα τὸν Χριστὸν ἐδίδαξε. ↩
