10.
So viele Aussprüche also vernimmst du, worin Gott bezeugt, daß er die Welt geschaffen hat: halte sie nicht für anfangslos, weil sie kugelförmig sein soll1, so daß anscheinend jeder Anfang an ihr fehlt; und weil alles, wenn sie erdröhnt, rings im Unkreis erbebt, so daß sich Anfang und Ende an ihr unmöglich wahrnehmen läßt; den Anfang eines Kreises sinnenfällig zu bestimmen, gilt ja als ein Ding der Unmöglichkeit. Auch an einer Kugel läßt sich der Anfangspunkt nicht ausfindig machen: wo etwa die Mondscheibe anfängt, wo sie nach der monatlichen Abnahme des Mondes aufhört. Doch wenn du’s auch selbst nicht merkst, folgt daraus nicht, daß sie überhaupt keinen Anfang und keinerlei Ende hat. Wenn du eigenhändig einen Kreis mit Tinte oder Stift ziehst oder mit dem Zirkel beschreibst, wirst du’s nach einiger Zeit unmöglich mehr mit den Augen merken oder dich geistig erinnern, wo du angefangen und wo du aufgehört hast. Und trotzdem bist du dein eigener Zeuge, daß du angefangen und aufgehört hast. Denn wenn es auch dem Auge entgeht, die Wahrheit stößt’s nicht um. Was aber einen Anfang hat, hat auch ein Ende, und was ein Ende nimmt, hat auch, das steht fest, einen Anfang genommen. Daß aber die Welt ein Ende nehmen wird, lehrt der Heiland selbst in seinem S. 16 Evangelium mit den Worten: „Denn die Gestalt dieser Welt vergeht“2; ferner: „Himmel und Erde werden vergehen“3; und im folgenden: „Siehe, ich bin bei euch bis an das Ende der Welt“4.
Die Kugelförmigkeit (als die vollkommenste Form) der Welt vertreten außer den Pythagoreern namentlich auch Plato und Aristoteles, welche sich sowohl den Himmel wie die Erde als Vollkugeln dachten. ― Die obige Beweisführung (Analogon des Kreises) nach Basil., l. c. 3. ↩
1 Kor. 7, 31. Es sind also nicht Worte des Heilandes, sondern des hl. Paulus. ↩
Matth. 24, 35. ↩
Matth. 28, 20. ↩
