11.
Wer aber könnte mit dem bloßen Menschenverstand eine Tugend begreifen, welche die Natur nicht in den Bereich ihrer Gesetze eingeschlossen hat? Oder wer in natürliche Worte fassen, was über dem Bereich des Natürlichen liegt? Aus dem Himmel mußte sie das Vorbild herabholen, das sie auf Erden nachahmte. Und nicht ohne Grund verschaffte sie sich vom Himmel ihre Lebensweise, die im Himmel ihren Bräutigam fand. Über Wolken, Lüfte, Engel und Sterne sich aufschwingend hat sie das Wort Gottes im Schoße des Vaters selbst gefunden und mit vollen Zügen getrunken. Wer könnte auch von einem so großen Gute lassen, wenn er es gefunden? Denn „ausgegossenes Öl ist Dein Name, darum haben Jungfrauen Dich liebgewonnen und Dich an sich gezogen“1. Sodann endlich ist es nicht mein Wort, daß die, „welche weder heiraten noch verheiratet werden, wie die Engel im Himmel sein werden“2. Niemand wundere sich denn, wenn sie Engeln gleich erachtet werden, die dem Herrn der Engel sich vermählen! Wer wollte denn leugnen, daß dieses Leben dem Himmel entströmte? Schwerlich finden wir es auf Erden, bevor nicht Gott in diesen Erdenleib sich niederließ. Da empfing die Jungfrau im Schoße3, und das Wort ward Fleisch4, auf daß das Fleisch Gott würde5.
