1.
S. 50Geliebteste! Voll Zuversicht fordern wir euch zu frommen Werken auf, da wir aus Erfahrung wissen, daß ihr gerne unseren Ermahnungen folgt. Wißt und erkennt ihr ja, von Gott darüber belehrt, daß euch die Beobachtung der göttlichen Gebote zu ewiger Wonne führen wird. Da aber der gebrechliche Mensch hierin zumeist erlahmt und infolge seiner Hinfälligkeit und Schwäche in vielem sündigt, gab uns der barmherzige und liebreiche Herr Mittel zur Genesung und Hilfe an die Hand, durch die wir wohl Verzeihung erlangen können. Denn wer vermöchte so vielen Lockungen der Welt, so vielen Anfechtungen des Teufels, so vielen aus seiner eigenen Unbeständigkeit entspringenden Gefahren zu entrinnen, zöge es der ewige König in seiner Güte nicht vor, uns lieber wieder aufzurichten als ins Verderben zu stürzen? Sogar die, welche bereits erlöst, bereits wiedergeboren, bereits zu Kindern des Lichtes geworden sind, können nicht ohne Versuchung ihre Lebenstage hinbringen, solange sie noch in dieser Welt, „die ganz im argen liegt“1 , weilen, solange noch das, was vergänglich und zeitlich ist, ihr schwaches Fleisch berückt. Auch wird nicht leicht jemand ein so unblutiger Sieg zuteil, daß er bei der Menge der Feinde und den steten Kämpfen, selbst wenn ihn der Tod verschonen sollte, nicht wenigstens verwundet würde. Daher muß man zur Heilung der Schäden, welche die oft erleiden, die mit einem unsichtbaren Feinde kämpfen, vor allem die Arznei dreier Genesungsmittel anwenden: Beharrlichkeit im Gebete, Kasteiung durch das Fasten und Freigebigkeit im Almosen. Üben wir diese Tugenden gleichmäßig, dann versöhnen wir Gott, tilgen wir unsere Schuld und S. 51zermalmen wir den Versucher. Obwohl die Seele der Gläubigen stets mit solchen Schutzwaffen gerüstet sein soll, so muß sie sich doch um so eifriger dann damit wappnen, wenn jene Tage wiederkehren, die man in früheren Zeiten eigens für die Ausübung solch frommer Werke bestimmt hat.
1 Joh 5,19 ↩
