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Bibliothek der Kirchenväter
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Works Gregory I, pope (540-604) Ausgewählte Briefe
Zehntes Buch. Briefe aus den Jahren 599–600.

IV. (39.) An den Patriarchen Eulogius von Alexandria.

IV. Gesammtausgabe 39.

An den Patriarchen Eulogius von Alexandria.

Inhalt: Auslegung jener Schriftstellen, auf welche sich die Agnoeten beriefen. Klage über den Mangel an guten Übersetzern. S. 538

„Kühles Wasser für eine dürstende Seele ist eine gute Botschaft aus fernem Lande.„1 Was kann aber für mich in Bezug auf das Wohl der Kirche eine bessere Nachricht sein, als dass Eure mir so teure Heiligkeit lebe und sich wohl befinde, da Ihr nach dem Euch verliehenen Lichte der Wahrheit die Kirche durch das Predigtwert erleuchtet und durch das Beispiel Eurer Tugenden sie zur Lebensbesserung anleitet? So oft ich in meinem Herzen wieder lese, wie Ihr e i n e s Sinnes mit mir seid, und sehe, dass auch ich einen festen Platz in Eurem Herzen behaupte, so oft danke ich dem allmächtigen Gott dafür, dass die Liebe durch den Raum nicht getrennt werden kann. Denn wenn wir auch dem Leibe nach weit von einander entfernt sind, so sind wir doch der Seele nach unzertrennlich.

Unser gemeinsamer Sohn, der Diakon Anatolius, hat mir geschrieben, in der Kaiserstadt habe man keine kirchlichen Dinge, sondern nur einiges von irdischen Angelegenheiten verhandelt.2 Ich glaube aber, dass Ew. Heiligkeit noch nicht Ihre Stimme für die Sache der Kirche erhoben hatte, als er mir dieses meldete. Ich freue mich, dass ich mich nicht für abwesend halten darf, wo Ihr glücklicherweise anwesend seid. Denn ich weiß, dass Du als Diener der Wahrheit, als Anhänger Petri, als Prediger der hl. Kirche3 jenes sagen konntest, was man vom Stuhle des Apostels Petrus aus dem Mund des Lehrers hätte hören sollen.

Schon früher, als Abramius von Alexandria hierher kam, hatte ich Ew. Heiligkeit geschrieben, sowohl was ich von den S. 539 Schriften halte, die Ihr gegen die Agnoiten herausgegeben habt, als auch, warum ich so spät geantwortet habe. Aber man sagt mir, dieser Abramius müsse sich seines Schiffes halber lange in der Stadt Neapel aufhatten, und so schreibe ich Dir denn noch einmal in demselben Sinne, in dem ich geschrieben hatte: dass nämlich Deine Erörterung gegen die Irrlehre der sogenannten Agnoiten meine volle Bewunderung fand, und dass ich nichts daran auszusetzen hatte. In demselben Sinn hatte ich aber auch schon vor längerer Zeit unserm gemeinsamen Sohn, dem Diakon Anatolius, sehr vieles geschrieben. Eure Lehre stimmt so durchaus mit den lateinischen Vätern überein, dass man sich nur deshalb nicht darüber wundern kann, weil es kein verschiedener Geist ist, der in verschiedenen Sprachen redet.

Was Ihr z.B. vom Feigenbaum gesagt habt, spricht der hl. Augustinus gang eigentümlich in gleichem Sinne aus, dass man nämlich aus der Bemerkung des Evangelisten: „Denn es war noch nicht die Zeit der Feigen“4 — deutlich ersehe, dass der Herr unter dem Bilde der Feige eine Frucht an der Synagoge gesucht hatte, welche zwar die Blätter des Gesetzes besaß, aber keine Frucht in guten Werken hervorgebracht hatte. Denn dem Schöpfer aller Dinge konnte es doch nicht unbekannt sein, dass der Feigenbaum keine Frucht besaß; alle aber konnten wissen, dass damals noch nicht die Feigenzeit war. Wenn aber geschrieben steht: »Den Tag und die Stunde weiß weder der Sohn noch die Engel,„5 so hat Ew. Heiligkeit richtig geurteilt, dass dies ganz gewiss nicht auf den Sohn, insofern er das Haupt aller Dinge ist, sondern auf seinen Leib, welcher wir sind, zu beziehen sei. Derselbe hl. Augustin macht an vielen Stellen von dieser Deutung Gebrauch. Er bemerkt noch etwas anderes, was ebenso auf diesen Sohn angewendet werden kann, dass nämlich der allmächtige Gott bisweilen nach menschlicher Weise spreche, wir er zu Abraham gesagt hat: „Jetzt weiß S. 540 ich, dass du Gott fürchtest,“6 nicht als ob Gott erst damals erfahren habe, dass man ihn fürchte, sondern weil er damals den Abraham seine Gottesfurcht erkennen ließ. Wie also auch wir von einem fröhlichen Tag sprechen, nicht als ob der Tag selbst fröhlich sei, sondern weil er uns fröhlich macht, so sagt auch der allmächtige Sohn, er wisse den Tag nicht, den er nicht wissen lässt, nicht als ob er selbst diesen Tag nicht wüsste, sondern weil er durchaus nicht gestattet, dass man ihn wisse. Darum heißt es auch, dass der Vater allein ihn wisse, weil der ihm wesensgleiche Sohn vermöge seiner über die Engel erhabenen Natur allerdings wissen kann, was die Engel nicht wissen.

Man kann aber auch die Sache noch tiefer fassen: Der menschgewordene Eingeborene, der für uns vollkommener Mensch geworden ist, wusste allerdings in seiner menschlichen Natur den Tag und die Stunde des Gerichtes, aber er wusste es doch nicht k r a f t seiner menschlichen Natur.7 Was er also in ihr wusste, das wusste er nicht durch sie, weil der menschgewordene Gott den Tag und die Stunde des Gerichtes durch die Kraft seiner Gottheit erkennt. So antwortete er auch auf der Hochzeit, als die jungfräuliche Mutter ihm sagte, dass es an Wem gebreche: „Was geht das mich und dich an, o Weib? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.„8 Der Herr der Engel, der, wie er alles erschaffen hat, auch die Zeiten und Stunden gemacht hatte, konnte nicht von einer Stunde abhängig sein. Da aber die jungfräuliche Mutter wünschte, dass bei dem Mangel des Weines ein Wunder von ihm geschehe, bekam sie sogleich die Antwort: „Was geht das mich und dich an, o Weib?“ Er wollte sagen: Dass ich Wunder wirken kann, das habe ich S. 541 vom Vater, nicht von der Mutter. Von der Mutter stammte es, das er sterben konnte, von der Natur des Vaters die Wunderkraft. Als er darum am Kreuze hing, erkannte er sterbend seine Mutter und empfahl sie seinem Jünger mit den Worten: „Siehe da deine Mutter!„9 Er sagte also: “Was geht dies mich und dich an, o Weib? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.„ Das heißt: In Bezug auf das Wunderwirken habe ich Nichts von deiner Natur, da kenne ich dich nicht Wenn die Todesstunde kommen wird, dann erkenne ich dich als Mutter; denn von dir stammt es, dass ich sterben kann. Darum erklärte er, ein Wissen nicht zu haben, das er vermöge der menschlichen Natur nicht besaß, wir es auch die übrigen Geschöpfe und selbst die Engel nicht besitzen. Den Tag und die Stunde des Gerichtes weiß also der Gottmensch, aber deshalb, weil er Gott und Mensch zugleich ist. Offenbar aber kann niemand Agnoite sein, ohne zugleich Nestorianer zu sein.10 Denn wer zugibt, dass die Weisheit Gottes Fleisch angenommen habe, mit welcher Stirne kann er sagen, es gebe etwas, was die Weisheit Gottes nicht wisse? Es steht geschrieben: „Jm Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht worden.“11 Wenn alles, dann ohne Zweifel auch der Tag und die Stunde des Gerichtes. Wer sollte nun so töricht sein, um den Ausspruch zu wagen, das Wort des Vaters habe etwas gemacht das es nicht kennt? Es steht auch geschrieben: „Jesus wusste, dass der Vater ihm alles in die Hände gegeben hatte.„12 Wenn alles, so gewiss auch den Tag und die Stunde des Gerichtes. Wer ist also so töricht, dass er sagen möchte, der Sohn habe in die Hände bekommen, was er gar nicht kannte? S. 542

Hinsichtlich jener Stelle, an welcher Jesus die Frauen wegen des Lazarus fragt: „Wo habt ihr ihn hingelegt?“13 ist unsere Ansicht genau dieselbe wie die Eurige. Denn wenn sie behaupten, der Herr habe nicht gewusst, wo Lazarus begraben sei, und habe deshalb gefragt, so müssen sie ohne Zweifel auch annehmen, der Herr habe nicht gewusst, wo sich Adam und Eva nach der Sünde verborgen hatten, da er im Paradiese sprach: „Adam, wo bist du?„14 Oder wenn er es nicht wusste, als er dem Kain vorhielt: „Wo ist dein Bruder Abel?“ — warum fügt er dann sogleich bei: „Das Blut deines Bruders schreit von der Erde zu mir herauf„?15 Indessen erklärt Severianus von Gabala16 diese Stelle anders, indem er behauptet, der Herr habe den Frauen mit der Frage, wo sie den toten Lazarus hingelegt hätten, einen Vorwurf gemacht, als wollte er ihnen mit Hinweisung auf Evas Schuld sagen: Ich habe den Mann ins Paradies gesetzt, und ihr habt ihn ins Grab gelegt.

Hierzu hat mir aber unser gemeinsamer Sohn, der Diakon Anatolius, noch eine andere Frage vorgelegt, indem er schreibt: Was soll ich antworten, wenn mir der Einwurf gemacht würde: Wie der Unsterbliche sterben wollte, um uns vom Tode zu befreien, und der Ewige, der vor aller Zeit gewesen, in die Zeit eintreten wollte, so wollte auch Gottes Weisheit unsre Unwissenheit annehmen, um uns von der Unwissenheit zu befreien? Ich habe ihm darauf noch nicht geantwortet, weil ich noch immer durch schwere Krankheit, verhindert bin. Schon jetzt aber fange ich an, durch Euer Wort gesund zu werden, und ich werde ihm mit Gottes Hilfe antworten, wenn ich so weit genesen bin, um diktieren zu können. Euch glaube ich hierüber nichts sagen zu sollen, S. 543 damit es nicht scheine, als wolle ich Euch lehren, was Ihr schon wisst. Es verlieren ja auch die Arzneien ihre Heilkraft, wenn man sie an gesunden und starken Gliedern anwendet.

Wir müssen Euch auch mitteilen, dass wir hier große Schwierigkeit mit den Übersetzern haben. Weil sie nicht im Stande sind, den entsprechenden Sinn herauszufinden und ihn in ihre Übersetzung hineinzulegen, sondern immer die Eigentümlichkeit der Sprache übersetzen wollen, so bringen sie den ganzen Sinn des Gesagten in Verwirrung. So kommt es, dass wir das Übersetzte nur mit großer Mühe verstehen können.

Das Andenken vom hl. Evangelisten Markus und von Ew. Heiligkeit habe ich empfangen. Ich wollte Holz übersenden; weil aber ein zu kleines Schiff kam, konnte es dasselbe nicht aufnehmen. Indessen war auch jenes Holz noch klein, welches die hierher gekommenen Alexandriner gesehen haben. Wir hatten weit längeres, das noch gar nicht nach Rom geschafft ist, in Bereitschaft setzen lassen, weil ich erwartete, dass ein Schiff von Alexandria kommen und dasselbe mitnehmen werde. So ist es am Platze, wo man es geschlagen hat, geblieben.

Der allmächtige Gott erhalte Euer Leben zur Erbauung der Kirche lange Zeit und gebe Euch ein, recht inständig für mich zu beten, damit Eure Gebete mich vor dem allmächtigen Gott erheben, während meine eigenen Sünden mich niederbeugen. S. 544


  1. Spr 25:25 ↩

  2. Dies scheint sich auf jene Synode zu beziehen, zu welcher die Br IX. 68 adressierten Bischöfe nach Konstantinopel geladen waren. ↩

  3. Diesen Titel scheint der hl. Gregor dem Patriarchen von Alexandria besonders mit Beziehung auf die Osterbriefe zu geben, welche damals der Patriarch von Alexandria an die ganze Kirche zu richten pflegte, um die in Alexandria berechnete Osterzeit zu verkünden, wobei dann auch allgemeine Angelegenheiten erörtert wurden. ↩

  4. Mk 11:13 ↩

  5. Mk 13:32 ↩

  6. Gen 22:12 ↩

  7. “In natura quidem humanitatis novit …. sed tamen non ex natura humanitatis.„ Nach heutiger theologischer Terminologie bezieht sich das “in natura„auf das p e r s ö n l i c h e Wissen Christi. Siehe jedoch “Summa St. Thomae Aqu. Pars III, Qu. X. Art. 3. ↩

  8. Joh 2:4 ↩

  9. Joh 19:27 ↩

  10. D. h. ohne zwei Personen in Christus anzunehmen, von denen die menschliche der Unwissenheit in manchem unterworfen ist. ↩

  11. Joh 1:1 ↩

  12. Joh 13:3 ↩

  13. Joh 11:34 ↩

  14. Gen 3:9 ↩

  15. Gen 4:9 ↩

  16. Severian, Bischof von Gabala, war früher ein Freund, später ein heftiger Feind des hl. Chrysostomus und Teilnehmer an der berüchtigten Syode an der Eiche. Von seinen Schriften finden sich Auszüge in den Schriften des hl. Chrysostomus, aber dabei nicht die im Text ausgeführte Auslegung. ↩

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