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Werden wir indes darum behaupten, der Vater des Menschen Christus sei der Heilige Geist, so daß demnach Gott Vater das Wort (d. h. die göttliche Natur in Christus), der Heilige Geist aber den Menschen (d. h. die menschliche Natur in Christus) gezeugt hätte und der eine Christus mit seinen zwei Naturen seiner S. 430 Gottheit nach der Sohn Gottes des Vaters und seiner Menschheit nach der Sohn des Heiligen Geistes wäre, weil ihn ja der Heilige Geist als sein Vater aus der jungfräulichen Mutter zeugte? Wer wagte es, sich zu einer solchen Behauptung zu versteigen? Es brauchte keine lange Erörterung um nachzuweisen, wieviel Abgeschmacktheiten sich daraus ergeben würden; ist ja doch eine solche Behauptung selber schon so abgeschmackt, daß kein gläubiges Ohr sie aushalten kann. Unser Herr Jesus Christus, der Gott von Gott ist, als Mensch aber aus dem Heiligen Geist und von der Jungfrau Maria geboren ist, ist also, wie wir gläubig bekennen, nach seinen beiden Naturen, der göttlichen sowohl wie der menschlichen, der eingeborene Sohn des allmächtigen Vatergottes, von dem der Heilige Geist ausgeht. Wie können wir also sagen, Christus sei vom Heiligen Geist geboren, wenn ihn der Heilige Geist nicht gezeugt hat? Sagen wir es nicht deshalb so, weil er ihn gemacht hat? Unser Herr Jesus Christus, von dem, soweit er Gott ist, geschrieben steht: „Alles ist durch ihn gemacht worden1“, ist ja doch, soweit er Mensch ist, selber gemacht worden; so sagt ja das Wort des Apostels: „Er ist aus dem Samen Davids dem Fleische nach gemacht worden2.“ Wenn nun jenes Geschöpf, das die Jungfrau (Maria) empfing und gebar, die gesamte Dreifaltigkeit gebildet hat, obwohl es doch bloß die Person des Sohnes betraf, warum wird denn dann bei der Bildung dieses Geschöpfes bloß der Heilige Geist genannt, da doch die Werke der Dreifaltigkeit untrennbar sind? Oder soll man, wenn bei irgendeinem Werke nur eine der drei Personen genannt wird, an ein Werk der gesamten Dreifaltigkeit denken? Gewiß, so ist es; und man könnte dies auch durch Beispiele erhärten. Doch wollen wir hiebei nicht zu lange verweilen. Denn es beschäftigt uns ja immer noch die Frage, wie man sagen könne „geboren aus dem Heiligen Geist“, da Christus doch gar kein Sohn des Heiligen Geistes ist. (Man darf ihn ebensowenig einen S. 431 Sohn des Heiligen Geistes heißen,) als wir auch diese Welt nicht darum als Gottes Sohn oder als von Gott geboren bezeichnen dürfen, weil sie Gott gemacht hat; wir müssen sie vielmehr als von ihm gemacht, geschaffen, hervorgerufen, gebildet bezeichnen oder was wir sonst für einen deckenden Ausdruck dafür finden können. In unserm vorliegenden Fall liegt also bei unserem Bekenntnis, daß Christus aus dem Heiligen Geist und von der Jungfrau Maria geboren worden sei, die Schwierigkeit in der Frage, wie es denn komme, daß er trotzdem nicht der Sohn des Heiligen Geistes, wohl aber der Sohn der Jungfrau Maria ist, obwohl er doch sowohl aus dem einen (dem Heiligen Geist) als auch der anderen (der Jungfrau Maria) geboren worden ist. Ohne Zweifel liegt die Sache so, daß er aus dem einen (dem Heiligen Geist) geboren worden ist zwar nicht als aus seinem Vater, wohl aber von der anderen (der Jungfrau Maria) als von seiner Mutter.