2.
Ich wundere mich, daß der heilige Bischof1 , in dessen Diözese er Priester sein soll, zu seinen Wutausbrüchen schweigt und nicht mit apostolischer, mit eiserner Rute das unnütze Gefäß zerschlägt2 , um es dem fleischlichen Verderben anheimzugeben, damit der Geist gerettet werde3 . Er möge sich des Wortes erinnern: „Du sahst einen Dieb und du liefst mit ihm, und mit den Ehebrechern unterhieltest du Verkehr“4 . Und eine andere Stelle lautet: „Frühmorgens töte ich alle Sünder des Landes, um alle Frevler aus der Stadt des S. 300Herrn auszurotten“5 . Und wieder heißt es: „Hasse ich nicht diejenigen, welche Dich, o Herr, hassen? Härme ich mich nicht ab wegen Deiner Feinde? Vollendeten Haß hege ich gegen sie“6 . Wenn wir die Reliquien der Märtyrer nicht verehren dürfen, warum lesen wir dann in der Schrift: „Kostbar in den Augen des Herrn ist der Tod seiner Heiligen“?7 Wenn die Gebeine der Verstorbenen den verunreinigen, der sie berührt, wie konnte da der tote Elisäus den Toten auferwecken? Wie konnte Leben spenden, was nach Vigilantius unrein dalag8 . War denn auch das ganze Lager des israelitischen Heereszuges und des Volkes Gottes unrein, weil sie die Leichname Josephs und der Patriarchen in die Wüste mitnahmen und die unreine Asche ins Heilige Land zurückführten?9 Ist Joseph, das Vorbild unseres Herrn und Heilandes, als ein Bösewicht zu betrachten, da er Jakobs Gebein unter großem Gepränge nach Hebron bringen ließ10 , um seinen unreinen Vater dem Groß- und Urgroßvater zuzugesellen, um den Toten mit den Toten zu vereinen? Eine solche Zunge muß von den Ärzten herausgeschnitten werden, ein solcher kranker Schädel muß gesund gemacht werden, damit er, wenn er nicht reden kann, endlich lerne zu schweigen. Ich, ich habe diesen abscheulichen Menschen einmal gesehen11 und wollte ihn in seiner Tobsucht mit Schriftzeugnissen wie in einer Hippokratischen Zwangsjacke festhalten12 . Er aber ging fort, entfernte sich, verschwand, flüchtete13 und fährt jetzt zwischen den Fluten der Adria und den Kottischen Alpen mit seinem Geschrei auf mich los. Doch alle seine tollen Reden sind nur als Wortmacherei und Geschrei zu bezeichnen.
Tixeront II², 249 f. denkt hier an Exuperius von Toulouse. ↩
Off. 2, 27. ↩
1 Kor. 5, 5. ↩
Ps. 49, 18. ↩
Ps. 100, 8. ↩
Ps. 138, 21 f. ↩
Ps 115, 6. ↩
2 Kön. 13, 21. ↩
Ex. 13, 19. ↩
Gen. 50, 7—13. ↩
Gelegentlich einer Wallfahrt ins Heilige Land hatte Vigilantius im Kloster des Hieronymus Gastfreundschaft genossen. ↩
Hippokrates aus Kos, ein berühmter Arzt des Altertums, lebte zwischen 460—359 v. Chr. ↩
Cicero, In Catilinam II, 1. ↩
