3.
Im stillen wirst du mich vielleicht tadeln, daß S. 301ich über einen Abwesenden so losfahre. Ich will dir meinen Schmerz bekennen. Eine derartige Gotteslästerung kann ich nicht in Geduld anhören. Ich habe gelesen von der Lanze des Phinees1 , von der Strenge des Elias2 , von dem Eifer Simons, des Kananäers, von dem Vorgehen des Petrus, der Ananias und Saphira tötete3 , und von der Standhaftigkeit des Paulus, welcher den Zauberer Elymas, als er sich den Wegen des Herrn widersetzte, zu ewiger Blindheit verurteilte4 . Dies ist keine Grausamkeit, sondern, wenn es für Gott geschieht, der Ausfluß einer frommen Gesinnung. Darum liest man auch im Gesetze: „Wenn dein Bruder, dein Freund, deine Gattin, die an deinem Herzen ruht, dich verführen und abbringen wollen von der Wahrheit, dann strecke deine Hand gegen sie aus, vergieße ihr Blut und du wirst ein Übel entfernen aus der Mitte Israels“5 . Ich will noch einmal die Frage aufwerfen: „Sind die Reliquien der Märtyrer unrein?“ Was haben die Apostel erduldet, um den unreinen Leib des Stephanus in feierlicher Weise zu bestatten und eine imposante Trauerfeier zu veranstalten, damit ihre Trauer sich für uns in Freude umwandle!6 Wenn er die Vigilfeiern verwünscht, dann tritt er auch hier in Gegensatz zu seinem eigenen Namen. Vigilantius will lieber schlafen als Christi Wort vernehmen, der da spricht: „Konntet ihr nicht eine Stunde mit mir wachen? Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallet. Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach“7 . Und an einer anderen Stelle singt der Prophet: „Mitten in der Nacht erhebe ich mich, um Dich zu preisen wegen Deiner gerechten Satzungen“8 . Wir lesen auch im Evangelium, daß der Herr die Nacht wach zugebracht hat9 und die Apostel, im Kerker eingeschlossen, die Nacht hindurch wachten, so daß ihre Psalmengesänge die Erde ins Beben brachten, der Aufseher des Gefängnisses den Glauben annahm und die Behörden samt den S. 302Einwohnern in Schrecken gerieten10 . Paulus spricht; „Beharret im Gebete und verweilet in ihm auch zur Nachtzeit“11 . Und an einer anderen Stelle lesen wir: „In vielfältigen Nachtwachen“12 . Vigilantius möge aber schlafen, damit ihn Ägyptens Würgengel mit den Ägyptern im Schlafe erwürge. Wir hingegen wollen mit David sprechen: „Er, der Israel schützt, wird nicht schlummern und nicht schlafen“13 , damit zu uns der Heilige und der Hir14 komme, den man mit Wächter übersetzt. Und wenn er einmal um unserer Sünden willen schlafen sollte, dann wollen wir zu ihm sprechen: „Stehe auf, o Herr! Warum schläfst Du?“ Wir werden ihn wecken, und wenn das Schifflein schwankt, ausrufen: „Meister, hilf uns, wir gehen zugrunde“15 .
Num. 25, 7 f. ↩
1 Kön. 18, 40. ↩
Apg. 5, 5. 10. ↩
Apg. 13, 8-11 ↩
Deut. 18, 6. 9. ↩
Jer. 31, 13. ↩
Matth. 26, 40 f. ↩
Ps. 118, 62. ↩
Luk. 6, 12. ↩
Apg. 16, 25-35. ↩
Kol. 4, 2. ↩
2 Kor. 11, 27. ↩
Ps. 120, 4. ↩
Hir [עִיר] ist ein aramäisches Wort, welches Daniel 4, 10 entnommen ist. Seine Bedeutung ist unklar. Hieronymus übersetzt die Stelle: „Ecce vigil et sanctus de coelu descendit.“ ↩
Matth. 8, 25. ↩
