Vierter Artikel. Die Hoffnung bleibt nicht in der Herrlichkeit.
a) Dies scheint nicht. Denn: I. Die Hoffnung steht höher wie die moralischen Tugenden, die doch nach Augustin (14. de Trin. 9.) bleiben. II. Die Hoffnung steht der Furcht gegenüber. Die Furcht aber bleibt in den Seligen; nämlich die kindliche Furcht, „die in Ewigkeit bleibt,“ wie in den Verdammten die Furcht vor der Strafe. Also bleibt die Hoffnung. III. Wie die Hoffnung auf das Gute der Zukunft geht, so auch das Verlangen. In den Seligen aber ist einerseits das Verlangen nach der Verherrlichung des Körpers, wie Augustinus sagt (12. sup. Gen. ad litt. 35.); und andererseits nach der Herrlichkeit der Seele, wie Ekkli. 24. gesagt wird: „Die mich essen, werden noch hungern; und die mich trinken, werden noch dürsten,“ und wie es 1 Petr. 1. heißt: „Die Engel verlangen danach, in Ihn hineinzuschauen.“ Also bleibt auch die Hoffnung in jenem Leben. Auf der anderen Seite sagt Paulus (Röm. 8.): „Denn wer etwas bereits sieht, was hat der noch zu hoffen.“ Die Seligen aber schauen Gott als den Gegenstand ihrer Seligkeit. Also hoffen sie nicht mehr.
b) Ich antworte; was seiner Natur nach Unvollkommenheit im betreffenden Subjekte besagt, das könne niemals im selben Subjekte zusammensein mit dem entgegengesetzten Vollkommenen. So schließt die Bewegung ihrem Wesen nach Unvollkommenheit im beweglichen Subjekte, dem Träger der Bewegung, ein. Denn sie „ist gerade die Thätigkeit dessen, was im Zustande des Vermögens, um etwas thatsächlich zu werden, ist, insoweit dieses in diesem Zustande bleibt,“ so daß, wenn jenes Vermögen zum Thatsächlichen geworden ist, erreicht also hat, wozu hin es im Vermögen war, die Bewegung aufhört. Was nämlich bereits weiß ist, das ist nicht mehr auf dem Wege zum Weißen hin. Die Hoffnung nun schließt gerade eine gewisse Bewegung ein zu dem hin, was nicht besessen wird, wie Kap. 40, Art. 1 und 2 gesagt worden ist. Wann also das Gehoffte besessen wird, hört die Hoffnung auf.
c) I. Rücksichtlich des Gegenstandes steht die Hoffnung höher wie die moralischen Tugenden, der da Gott nämlich ist. Die Thätigkeiten der moralischen Tugenden aber widerstreiten nicht der Vollkommenheit in der Seligkeit, wie dies bei der Hoffnung der Fall ist, außer etwa in Anbetracht ihrer Materie, der Leidenschaften und Thätigkeiten (vgl. oben), wonach sie nicht bleiben. Denn die moralische Tugend vollendet das Begehren nicht nur mit Rücksicht darauf, was noch nicht besessen wird, sondern auch bezüglich dessen, was bereits besessen wird. II. Die knechtische Furcht bleibt nicht (vgl. II, II, Kap. 19.); denn sie fürchtet die Strafe, welche in der Seligkeit nicht möglich ist. Die kindliche Furcht aber hat zwei Thätigkeiten: 1. Gott verehren; und danach bleibt sie; — 2. fürchten die Trennung von Gott; und danach bleibt sie nicht. Denn von Gott getrennt werden ist ein übel und ein Übel ist da nicht zu fürchten, „wo man,“ nach Prov. I, 33., „alles Überflusses genießen und wo jede Furcht vor einem Übel entfernt sein wird.“ Die Furcht aber steht der Hoffnung gegenüber einzig und allein gemäß einem Gegensatze von „gut“ und „böse“ (vgl. Kap. 40, Art. 1); und deshalb steht die Furcht, die in der Seligkeit bleibt, nicht im Gegensatze zur Hoffnung. In den Verdammten freilich kann mit größerem Grunde sein die Furcht vor den Strafen wie in den Seligen die Hoffnung auf Herrlichkeit; denn bei den Verdammten wird sein Aufeinanderfolge in den Strafen und somit bleibt da der Charakter des Zukünftigen gewahrt, was der Gegenstand der Furcht ist. Die Herrlichkeit aber ist ohne alle Aufeinanderfolge, eine gewisse Teilnahme an der Ewigkeit, wo keine Vergangenheit und keine Zukunft, sondern nur Gegenwart ist. Und trotzdem ist es auch bei den Verdammten keine eigentliche Furcht. Denn die Furcht ist immer verbunden mit einer gewissen Hoffnung, dem drohenden Übel zu entgehen, was durchaus bei den Verdammten nicht statthat. Also nur in dem Sinne wird von Furcht bei den Verdammten gesprochen, in welchem jede Erwartung zukünftigen Übels Furcht genannt wird. III. Rücksichtlich der Herrlichkeit in der Seele kann bei den Seligen kein Verlangen sein; weil da kein Zukünftiges ist. Von Hunger und Durst wird da gesprochen, damit man nicht denke, es bestehe ein Ekel. Mit Rücksicht auf die Herrlichkeit des Leibes aber kann in den Seligen Verlangen sein, jedoch keine Hoffnung: weder als theologische Tugend, denn so ist nur Gott, nichts Geschaffenes ihr Gegenstand, noch im gewöhnlichen Sinne; denn das, dessen man sicher ist, trägt für uns nicht mehr den Charakter des Schwierigen, der zum Wesen des Gegenstandes der Hoffnung gehört. Wer z. B. Geld hat, um etwas zu kaufen, von dem sagt man eigentlich nicht, er hoffe, das zu haben, was er gleich, wenn er will, kaufen kann.
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