Fünfter Artikel. Nichts von Glaube oder Hoffnung bleibt nach diesem Leben.
a) Trotzdem scheint dies. Denn: I. Wenn das Besondere, Unterscheidende entfernt ist, bleibt zurück das Allgemeine, Gemeinsame; wie wenn (lib. de oausis 1.) ich das Vernünftige wegnehme, übrig bleibt das Lebendige oder das Sein. Wird also vom Glauben das Unvollkommene fortgenommen, was ihn unterscheidet von der Herrlichkeit, so bleibt übrig die Kenntnis, die ihm gemeinsam ist mit der Herrlichkeit. II. Der Glaube ist ein geistiges Licht, nach Eph. 1.: „Erleuchtet seien die Augen eueres Herzens, um Gott zu erkennen.“ Dieses Licht nun ist unvollkommen im Vergleiche zu dem der Herrlichkeit, von dem es heißt: „In deinem Lichte werden wir Licht sehen.“ Das unvollkommene Licht aber bleibt bestehen, wenn auch das vollkommene hinzutritt, wie die Kerze fortfährt ihren Glanz zu verbreiten, wenn auch die Sonne hell am Himmel scheint. Also. III. Die Substanz eines Zustandes geht nicht verloren, wenn dessen Materie entfernt wird; wie z. B. die Tugend der Freigebigkeit bleibt, wenn jemand auch sein Vermögen verloren hat. Der Gegenstand des Glaubens aber ist die erste Wahrheit als nicht geschaute. Ist also dies durch das Schauen entfernt, so kann noch der Zustand des Glaubens dauern. Auf der anderen Seite ist der Glaube ein gänzlich einfacher Zustand. Etwas in sich Einfaches, was keineswegs aus Teilen besteht, wird aber entweder ganz entfernt oder es bleibt ganz. Da also der Glaube nicht bleibt, sondern „leer gemacht wird,“ so folgt daraus, daß er ganz und gar entfernt wird.
b) Ich antworte; es war die Meinung einiger, daß wohl die Hoffnung ganz entfernt wird durch die Seligkeit; daß aber der Glaube, soweit er Kenntnis enthält, bleibt und nur soweit er „in Rätseln schauen“ läßt, entfernt wird. Wird nun dies so verstanden, daß die „Art“, wozu der Glaube und die Herrlichkeit gehört, nämlich die Kenntnis über Gott, bleibt, so ist das richtig; und es kann das Nämliche nicht von der Hoffnung gesagt werden, die mit der Seligkeit in der gemeinsamen Art nicht übereinkommt. Denn die Hoffnung verhält sich zum Genusse der Seligkeit wie die Bewegung zur Ruhe im Schlußpunkte. Der Glaube aber ist der „Art“ nach eine Kenntnis wie auch die Anschauung. Wenn jedoch gemeint wird, es sei in ein und demselben erkennenden Subjekte der Zahl nach die nämliche und gleiche Kenntnis die des Glaubens und die der Herrlichkeit, daß also danach der nämliche Zustand in der Herrlichkeit bleibt; so ist das nach allen Seiten hin durchaus unmöglich. Denn, wird der Unterscheidungsgrund, welcher die Wesensgattung herstellt, entfernt, so bleibt nicht der Substanz der „Art“ nach das betreffende Ding das nämliche; wie z. B. wenn die Weiße entfernt nicht der Zahl nach ganz dieselbe Substanz „Farbe“ bleibt. Es giebt eben keinerlei „Art“, die für sich bestände, ohne daß eine gewisse Gattung mit ihr verbunden wäre; wird somit die Gattung fortgenommen, so fällt das Ganze fort und es bleibt nicht der Zahl nach ein und dieselbe Substanz der Art nach. Nicht die nämliche Farbe der Zahl nach ist nun weiß, nun schwarz. Denn die „Art“ steht nicht im gleichen Verhältnisse zur Gattung wie etwa der Stoff zur Wesensform, so daß die Substanz der „Art“ nach dieselbe bliebe, nachdem der die Gattung herstellende Unterscheidungsgrund fortgefallen ist, wie der Zahl nach ein und dieselbe Substanz des Stoffes bleibt, nämlich das reine positive Vermögen, eine Wesensform zu tragen und so wirkliches Sein zu haben, nachdem die eine Wesensform fortgefallen ist. Die „Art“ und der Unterscheidungsgrund nämlich, die differentia, sind keine Teile, welche etwa die Teile der Gattung zusammensetzen, wie Leib und Seele den Menschen. Vielmehr wie die Gattung das Ganze bezeichnet, nämlich das aus Stoff und Form Zusammengesetzte in den stofflichen Dingen, so bezeichnet der Unterscheidungsgrund, die differentia, das Ganze; und ebenso wird von der „Art“ das Ganze bezeichnet. Nur bezeichnet die „Art“ das Ganze von seiten des bestimmbaren Momentes aus, das darin wie der Stoff etwa ist; der Unterscheidungsgrund aber, die differentia, bezeichnet das Ganze von seiten des bestimmenden Momentes her, das darin wie die Form etwa ist; und die Gattung bezeichnet das Ganze von beiden Seiten her. So verhält sich im Menschen die sinnliche Natur wie das materiale, bestimmbare Moment im Verhältnisse zur vernünftigen. Und sinnbegabtes Wesen wird deshalb genannt, was eine solche sinnliche Natur hat; vernünftig, was eine vernünftige Natur hat; Mensch aber, was Beides besitzt. Da also der Unterscheidungsgründ, die differentia, wie hier „vernünftig“, nicht bezeichnet außer so, daß die „Art“ mitbezeichnet wird, so kann, wenn dieser Unterscheidungsgrund oder die Differenz, verschwunden ist, die Substanz der „Art“ nach nicht dieselbe bleiben; es bleibt nicht das nämliche Sinnbegabte, wenn das fortfällt, was vom Sinnlichen der formende Grund ist. Also kann nicht ein und dieselbe (der Zahl nach) Kenntnis, welche früher „in Rätseln“ erkannte, nachher offenes Schauen werden. Nichts also bleibt der Zahl nach in jenem Zustande, der hier auf Erden Glauben war, zurück in der Herrlichkeit.
c) I. Ist das „vernünftig“ fort, so bleibt nicht der Zahl nach das nämliche Lebendige. II. Das Unvollkommene im Leuchten der Kerze steht nicht im Gegensatze zum Leuchten der Sonne; denn es ist da nicht das nämliche Subjekt, welches leuchtet. Im Glauben und in der Herrlichkeit aber handelt es sich um das nämliche erkennende Subjekt und um wechselseitigen Gegensatz, wie zwischen Unvollkommenem und Vollkommenem. So kann nicht zugleich sein die Helle in der Luft und die Dunkelheit. III. Wer sein Vermögen verliert, der verliert nicht die Möglichkeit, von neuem Geld zu haben; und deshalb ist es zulässig, daß der entsprechende Zustand der Freigebigkeit bleibt. In der Herrlichkeit aber wird auch die Möglichkeit, nicht bloß der thatsächliche Gegenstand des Glaubens entfernt auf Grund der Unverrückbarkeit des seligen Anschauens.
