Dritter Artikel. Die lätzliche Sünde bereitet vor zur Todsünde.
a) Das Gegenteil scheint wahr. Denn: I. Das eine Glied im Gegensatze bereitet nicht das andere vor. Tod- und läßliche Sünde aber stehen zu einander im Gegensatze. II. Jede Thätigkeit bereitet vor zu einer ihr ähnlichen; wie „aus einander ähnlichen Thätigkeiten Zustände erzeugt werden.“ (2 Ethic. 1. et 2.) Die Tod- und läßliche Sünde aber unterscheiden sich der „Art“ nach. III. Wenn eine Sünde läßlich heißt, weil sie zur Todsünde vorbereitet, so wäre Alles, was zur Todsünde vorbereitet, läßliche Sünde. Alle guten Werke aber bereiten vor zur Todsünde; wie Augustin in seiner Regel sagt: „Der Stolz stellt den guten Werken nach, daß sie zu Grunde gehen.“ Also werden auch die guten Werke läßliche Sünden sein, was nicht angeht. Auf der anderen Seite heißt es Ekkli. 19.: „Wer Kleinigkeiten verachtet, wird nach und nach zerfließen.“ Wer aber läßlicherweise sündigt, der scheint Kleinigkeiten zu verachten. Also bereitet die läßliche Sünde dazu vor, daß die Seele in der Todsünde ganz zerfließt.
b) Ich antworte, das, was zu etwas vorbereitet, sei gewissermaßen Ursache. Nach der doppelten Weise im Verursachen richtet sich also die doppelte Art und Weise in der Vorbereitung. Denn 1. bewegt und bestimmt eine Ursache direkt oder ihrer Wesenskraft nach zur Wirkung hin, wie das Warme wärmt. Und 2. bewegt eine Ursache indirekt, indem sie das Hindernis entfernt; wie jener, der eine Säule entfernt, auch die Ursache davon ist, daß der darauf liegende Stein aus seiner Lage entfernt wird. Danach nun bereitet der Sündenakt zu etwas vor: einmal direkt; und so bereitet er vor zu einer ihm ähnlichen Thätigkeit, wonach die läßliche Sünde, an und für sich und ohne alle Voraussetzung schlechthin, nicht zur Todsünde vorbereitet, denn beide sind der „Art“ und Gattung nach unterschieden. Jedoch kann nach dieser Richtung hin die läßliche Sünde vorbereiten vermittelst dem was aus ihr folgt, zu jener Todsünde, die da Todsünde wird von seiten des Handelnden. Denn wenn die innere Verfassung oder der entsprechende Zustand fortwährend gestärkt wird durch läßliche Sündenakte, so kann die innere Begierde dermaßen wachsen, daß der Sündigende seinen Endzweck setzt in die läßliche Sünde. Wer nämlich einen Zustand hat, dem ist insoweit Zweck die Thätigkeit gemäß dem Zustande; und so liegt in der öfteren Wiederholung der läßlichen Sünde eine Vorbereitung für die Todsünde. Dann kann die läßliche Sünde vorbereiten die Todsünde wie etwas Derartiges, wodurch die Hindernisse entfernt werden. Und so bereitet sie ihrer „Art“ nach, nicht bloß in ihren Folgen, die Todsünde vor. Denn wer läßlich sündigt, vernachlässigt irgend eine Ordnung; und da er in geringeren Dingen seinen Willen daran gewöhnt, sich der gesetzten Ordnung nicht zu unterwerfen, so wird dadurch der Wille vorbereitet, auch der Ordnung des letzten Endzweckes sich nicht zu unterwerfen und so eine Todsünde zu begehen; auch soweit es auf die objektive „Art“ ankommt.
c) I. Tod- und läßliche Sünde sind nicht zwei Gattungen ein und derselben „Art“, sondern verhalten sich wie Vollendetes und Unvollendetes, wie Substanz und hinzutretende Eigenschaft. II. Beide, Tod- und läßliche Sünde, schließen einen Mangel der gebührenden Ordnung ein; es besteht da also Ähnlichkeit in der allgemeinen „Art“. III. Das gute Werk kann nur Gelegenheit oder Gegenstand für eine Todsünde sein; es kann nicht an sich zur Todsünde vorbereiten.
