Dritter Artikel. Gott muß kraft der heiligen tiebe um Seiner selbst willen geliebt werden.
a) Gott wird aus Liebe zu etwas Anderem geliebt. Denn: I. Gregor sagt (oben): „Aus dem, was der Mensch kennt, lernt er auch, ihm noch Unbekanntes zu lieben.“ Er nennt aber „Ungekanntes“ hier das vernünftig Erkennbare und Göttliche; das „Gekannte“ nennt er das Sichtbare. Also ist Gott um Anderes willen zu lieben. II. Die Liebe folgt der Kenntnis. Gott aber wird durch Anderes gekannt, nach Röm. 1, 20. Also wird Er auch um Anderes willen geliebt. III. „Die Hoffnung erzeugt die heilige Liebe,“ sagt die Glosse zu Matth. 1, 2. „Die Furcht öffnet der Liebe das Thor,“ sagt Augustin (9. in 1. Joan.). Die Hoffnung aber erwartet etwas von Gott; die Furcht flieht vor etwas, was von Gott kommen kann. Also hofft man auf Gott um etwas Anderes, um des gehofften Gutes nämlich willen; man fürchtet Ihn eines Übels halber. Und so ist es auch mit der Liebe. Auf der anderen Seite sagt Augustin (1. doctr. chr. 4.): „Genießen heißt einem Gute mit Liebe anhängen um dieses Gutes selber willen.“ Gottes aber wollen wir genießen (l. c. c. 5.) Also lieben wir Gott um Seiner selbst willen.
b) Ich antworte, das „um etwas willen“ oder „wegen“ schließt eine Ursache ein. Eine vierfache Art Ursache aber giebt es: 1. die Zweckursache, auf Grund deren wir die Medizin z. B. lieben um der Gesundheit willen; 2. die Formalursache, wie wir einen Menschen lieben um der Tugend willen, d.h. weil er durch die innere Form der Tugend gut ist; 3. die wirkende Ursache, wie wir Kinder lieben um ihres Vaters willen; 4. die Materialursache, wie wir jemanden lieben um der empfangenen Wohlthaten willen, die da unsere Seele vorbereitet oder in die Verfassung gesetzt haben, um den Wohlthäter zu lieben. Gemäß den ersten drei Ursächlichkeiten nun lieben wir Gott um Seiner selbst willen. Denn Er ist der Endzweck von Allem; dann ist in Ihm keine von Ihm verschiedene Form, durch die Er gut wäre, sondern seine Substanz ist seine Güte, durch die wie durch ein Exemplar Alles gut ist; endlich hat Er von niemandem diese seine Güte, sondern von Ihm hat Alles, was es an Güte besitzt. Nach der vierten Ursächlichkeit kann Er um etwas Anderes willen geliebt werden; denn wir werden durch etwas Anderes dazu vorbereitet, um Ihn zu lieben, wie durch die empfangenen Wohlthaten oder durch die erhofften Belohnungen oder durch die angedrohten Strafen.
c) I. Das Erkannte, also das Sichtbare, ist da nicht der Grund, um das Ungekannte zu lieben; wie wenn es die innere bildende Form wäre oder der Zweck oder die einwirkende Ursache, sondern weil dadurch der Mensch vorbereitet oder in die Verfassung gesetzt wird, um Ungekanntes zu lieben. II. Die Kenntnis Gottes gewinnt man zwar durch Anderes; ist Er aber einmal wahrhaft gekannt, dann wird Er durch Sich selbst gekannt, nach Joh. 4.: „Nicht bereits wegen deiner Rede glauben wir; selbst viel mehr haben wir Ihn gehört und wissen nun, Er sei der Welterlöser.“ III. Dies ist in der Weise der vorbereitenden Materialursache, daß die Furcht oder Hoffnung zur Liebe führt.
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