Dritter Artikel. Es giebt mehrere Unterabteilungen in der Wahrsagerei.
a) Dem steht entgegen: I. In allen Arten des Wahrsagens besteht ein und derselbe maßgebende Grund für die Sünde; nämlich die Beanspruchung der Dämonen für die Kenntnis des Zukünftigen. Also giebt es nicht mehrere Gattungenin der Wahrsagerei. II. Nur ein und derselbe Zweck, nämlich das Zukünftige vorherzuwissen, wohnt allem Wahrsagen stets inne. Also ist da nur immer eine einzige Gattung. III. Ob jemand mit Worten den anderen verkleinert oder mit Zeichen oder mit Schreiben, macht keine Verschiedenheit in der Gattung der betreffenden Sünde. Also machen auch die verschiedenen äußeren Zeichen in der Wahrsagerei keinen Gattungsunterschied. Auf der anderen Seite zählt Isidor (8 Etymol. 9.) die verschiedenen Gattungen der Wahrsagerei auf.
b) Ich antworte, entweder werde beim Wahrsagen der Teufel ausdrücklich angerufen; oder er mischt sich von selbst hinein, um Zukünftiges in der ihm zukömmlichen Weise (I. Kap. 57, Art. 3) vorherzusagen. Ausdrücklich angerufen verkünden die Dämonen in vielfacher Weise das Zukünftige. Sie zeigen sich 1. bisweilen den Augen und den Ohren der Menschen in wunderlichen Erscheinungen; und diese Art Wahrsagerei wich „praestigium“, wunderliche Erscheinung, genannt. Sie künden 2. vorher durch Träume; und das ist das „Traum-Wahrsagen“. Durch Erscheinung oder durch Sprechen von Toten sagen sie 3. vorher; das ist die eigentliche „schwarze Kunst“, wo (Isidor. 8 Etymol. 9.) „vermittelst einzelner Gesänge unter Anwendung von Blut die wiederauferstandenen Toten vorherzusagen scheinen und den gestellten Fragen zu antworten.“ Bisweilen sagen sie 4. vorher durch lebende Menschen, wie bei den von Krämpfen Befallenen oder Besessenen, was „Befragen durch Zauberer“ genannt wird. Durch Zeichen, die in leblosen Dingen erscheinen, sagen 5. die Dämonen vorher; und zwar wenn diese Figuren oder Zeichen in einem irdischen Körper erscheinen, wie in Holz, Eisen, geglätteten Stein, heißt dies „Geomantie“; wenn sie im Wasser erscheinen, „Hydromantie“; wenn sie in der Luft sind, „Aëromantie“; oder im Feuer „Pyromantie“; wenn sie in den Eingeweiden von Tieren erscheinen, welche auf dem Altare der Dämonen geopfert worden, so ist dies ein „Haruspicium“. Das Wahrsagen aber, was ohne ausdrückliche Anrufung des Teufels geschieht, wird in zwei Arten geteilt. Die erste Art ist jene, wo aus der Lage gewisser Dinge die Zukunft erschlossen werden soll. Da ist nun zuerst die Betrachtung und Lage der Gestirne, wonach man bei der Geburt das Horoskop stellt und wonach diese Astronomen auch „genthliaci“ genannt werden. Dann wird der Flug oder die Stimme der Vögel beobachtet oder das Nießen der Menschen oder das Hüpfen einzelner Glieder; das nennt man „Augurium“ oder „Auspicium“, von denen das Erste die Ohren angeht, das Zweite die Augen. Beobachtet man ferner die absichtslos gesprochenen Worte gewisser Menschen, um daraus etwas Zukünftiges zu schließen, so ist dies ein „Omen“. Davon sagt Valerius Maximus (lib. 1. cap. 5.): „Die Beobachtung der Anzeichen (omina) berührt sich mit der Religion; denn man glaubt, was durch zufällige Bewegung geschieht, das sei nicht zufällig, sondern komme von der göttlichen Vorsehung. Diese bewirkte, daß, während die Römer überlegten, ob sie nach einem anderen Orte hin auswandern sollten, ein Hauptmann zufällig zur selben Zeit ausrief: Fahnenträger, hier stelle Deine Fahne hin; hier werden wir am besten bleiben. Diese Stimme galt als Omen, zu bleiben und nicht auszuwandern.“ Werden ferner einzelne Figuren in den Handlinien betrachtet, um daraus wahrzusagen, so ist das „Chiromantie“; und geschieht Ähnliches bei den Tieren, so ist es Spatulamantie“. Die zweite Art des Wahrsagens ohne ausdrückliche Anrufung der Dämonen besteht darin, daß man die Ergebnisse dessen betrachtet, was die Menschen mit Ernst und Absicht thun, um die Zukunft zu wissen. So werden Punkte in gewisser Weise verlängert, was zur „Geomantie“ ehört. Es wird flüssiges Blei in Wasser geworfen und die sich ergebenden Figuren betrachtet; oder beschriebene und unbeschriebene Zettel werden im erborgenen gesammelt und gesehen, welchen der betreffende zieht; oder man nimmt einen größeren und einen kleineren Strohhalm und sieht, wer den einen von beiden zieht. Dahin gehört das Spielen mit Würfeln, das Aufschlagen eines Buches etc. Alles dies nennt man „losen“. Also die erste Art Wahrsagen geschieht durch offenes Befragen und Anrufen der Dämonen; die zweite durch Beobachtung gewisser Bewegungen oder der Lage eines Dinges; die dritte, wenn wir selber etwas thun, damit die Zukunft erkannt werde. Und unter jeder Art sind viele Unterabteilungen.
c) I. Der allgemeine Grund, durch Aberglauben zu sündigen, ist in allen diesen Arten der nämliche; aber nicht der specielle. Denn bei weitem schwerer sündigt, wer direkt den Teufel anruft, als wer etwas thut, was Einmischung des Teufels bloß verdient oder veranlaßt. II. Die Kenntnis der Zukunft ist hier überall der letzte Zweck. Die Art und Weise aber der Erkenntnis des Zukünftigen ist eine verschiedene. III. Bei der Verkleinerung werden die äußeren Zeichen betrachtet als solche, mit denen man ausdrückt, was man weiß. In der Wahrsagerei sind die Zeichen wie Principien des Wissens. Der Unterschied in den Principien aber macht einen Gattungsunterschied auch in den Wissenszweigen.
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