Zweiter Artikel. Das Wahrsagen ist eine Gattung Aberglauben.
a) Dem steht entgegen: I. „Die Wahrsagerei,“ sagt Augustin (de vera Relig. 38.), „ist eine Art Neugierde;“ also nicht eine Art Aberglauben. II. Der Aberglaube ist eine ungebührliche Weise, Gott zu verehren, wie die Religion die gebührende ist. Das Wahrsagen aber ist keine ungebührende Art Gottesverehrung. III. Der Aberglaube steht der Gottesverehrung oder Religion gegenüber. In letzterer aber findet sich nichts, was zum Wahrsagen im Gegensatze stände. Auf der anderen Seite sagt Origenes im Periarchon: „Es giebt eine gewisse, im Dienste des Vorherwissens stehende Thätigkeit der Dämonen, welche in gewissen Künsten derer, die den Dämonen sich überlassen haben, sich ausspricht. Denn sei es daß man Karten schlägt oder den Vögelflug beobachtet oder den Schatten betrachtet, Alles dies kommt von den Dämonen.“ Augustin aber schreibt (II. de doctr. Christ. 23.): „Was aus der Gesellschaft der Menschen mit den Geistern sich ergiebt, ist abergläubisch.“
b) Ich antworte, der Aberglaube schließe eine ungeregelte Verehrung Gottes ein. Zur Gottesverehrung aber gehört etwas, indem es wie Opfer, Gaben etc. Gott dargebracht; oder indem etwas Göttliches angewendet und gebraucht wird. (Kap. 89, Art. 5 ad II.) Also nicht nur den Dämonen opfern ist abergläubisch, sondern auch den Beistand derselben beanspruchen oder gebrauchen, um etwas zu thun oder zu erkennen. Nun wird beim Wahrsagen entweder der Teufel ausdrücklich angerufen, um Zukünftiges zu offenbaren; oder er mischt sich von selbst ein in die eitle Erforschung des Zukünftigen, damit er die Seele des Menschen mit Eitelkeit erfülle, worüber der Psalmist sagt (Ps. 39.): „Er blickte nicht auf Eitelkeiten und falsche Thorheiten,“ Also ist das Wahrsagen eine Gattung Aberglauben.
c) I. Die Neugierde ist der Zweck des Wahrsagens; abergläubisch ist die Art und Weise des Vorgehens. II. Das Wahrsagen ist ein Kult, der dem Teufel dargebracht wird,insoweit dabei jemand sich stillschweigend oder ausdrücklich eines Übereinkommens mit demselben bedient. III. Im Neuen Bunde, wo der Mensch um das Zeitliche nicht so sehr besorgt sein soll, ist nichts eingerichtet, was auf die Kenntnis des Zukünftigen mit Rücksicht auf Zeitliches sich bezieht. Im Alten Bunde aber bestanden gewisse Vorschriften, in geregelter Weise sich für Zukünftiges Rats zu holen. Deshalb heißt es bei Isai. 8.: „Und wenn sie auch sagen: Suchet Auskunft bei den Zauberern und Wahrsagern, die da knirschen in ihren berückenden Gesängen… Und warum ersieht das Volk nicht von seinem Gott ein Gesicht für Lebende und Tote.“
